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Ausgabe Nr. 33/2024 vom 12.08.2024, Fotos: Franz Neumayr, zvg
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Der 87jährige war Chauffeur für Größen wie Herbert von Karajan und ist dem Theater-Ereignis bis heute verbunden.
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Mit Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler unterwegs.
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Unterwegs mit dem Stern auf der Motorhaube und „S 104“.
Der Chauffeur der Festspiele
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Die Salzburger Festspiele bilden den kulturellen Höhepunkt des Sommers. Im Mittelpunkt stehen dabei natürlich die Künstler, doch dahinter sorgt eine Riege von Menschen für einen reibungslosen Ablauf. Paul Oberascher gehörte viele Jahrzehnte dazu.
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Er hat sich seine Tage gut eingeteilt. „Zu Mittag halt‘ ich ein Schlaferl, um drei Uhr trink ich Kaffee und am Abend muss ich zur Landjugend.“ Wer mit dem 87jährigen Paul Oberascher aus Henndorf am Wallersee, nordöstlich der Stadt Salzburg gelegen, sprechen möchte, bekommt dafür nur wenige Möglichkeiten.

Dabei weiß Oberascher viel zu erzählen. Immerhin war der Nebenerwerbsbauer mit vier Kühen, 16 Hennen und einem Stier 40 Jahre lang Chauffeur und Leiter des Fuhrparks der Salzburger Festspiele. Oder, wie er es exakt notiert hat: 13.209 Tage. Und natürlich weiß er bis heute, was sich in der Landeshauptstadt beim herausragenden Ereignis unseres Kultur-Sommers im wahrsten Sinne des Wortes abspielt.

Zahlreiche namhafte Darsteller, die in Salzburg in die Rolle des „Jedermann“ geschlüpft sind, hat Oberascher in seiner Mercedes Limousine durch die Stadt kutschiert. „Den Jürgens, Schell, Brandauer, Lohner, Voss, Tukur“, zählt der 87jährige in rascher und korrekter Reihenfolge nach deren Engagements als armer, reicher Mann herunter – und setzt gekonnt mit den Buhlschaften fort: „Die Smolik, Kerbler, Tiller, Hörbiger, Heesters, Berger …“

Wird Oberascher gefragt, wer von den Künstlern an Bord ihm am liebsten war, antwortet er, wie es sich für einen Chauffeur und Gentleman gehört, mit Diplomatie: „Jeder Mensch ist anders. Meine Kunst war, mich auf jeden Einzelnen einstellen zu können. Ich glaub‘, das haben die Künstler an mir geschätzt. Dass ich authentisch war.“

Aber dann lässt sich der Salzburger doch noch zu einem Lob hinreißen. „Ja, die Senta Berger und der Curd Jürgens, die waren schon etwas Besonderes. So wie die beiden wird die ,Buhlschaft‘ und den ,Jedermann‘ wohl nicht mehr so schnell jemand spielen. Es war fast so, als wär‘ das Stück für sie geschrieben worden.“

Ansonsten lautet sein Motto bis heute: Was im Wagen von Herrn Paul besprochen wurde, bleibt im Wagen von Herrn Paul. „Ich habe viele prominente Menschen reden hören, aber nie zugehört“, sagt er.

Wobei Herbert von Karajan kein Mann vieler Worte gewesen sein soll. „Einmal war er gut gelaunt, einmal weniger. Das war halt so. Am Ende habe ich mich über ein Bild mit Widmung von ihm riesig gefreut.“ Allerdings setzte sich der Maestro, der ein ausgewiesener Auto-Liebhaber war, selbst gern hinters Steuer. Einmal in einem Porsche, ein anderes Mal in einem Wagen mit Stern auf der Motorhaube, der noch luxuriöser ausgestattet war als jener von Paul
Oberascher.

Wobei der Chauffeur der Festspiele beinahe schon so bekannt war in der Stadt wie seine Gäste, die auf dem Rücksitz Platz genommen haben. Denn wenn er mit seinem Wagen und dem Kennzeichen „S 104“ vorgefahren kam, wussten die Salzburger, hier handelt es sich um die Limousine der Festspielpräsidenten. „Aus Sicherheitsgründen musste das Kennzeichen dann aber öfter gewechselt werden.“

Der Wagen durfte nicht besser sein als jener der Politiker

Der Luxus für die Festspiel-Größen hatte allerdings seine Grenzen, die von der Politik vorgegeben wurden, erinnert sich der 87jährige. „Die Autos durften von der Größe und der PS-Anzahl keinesfalls besser sein als jene der Landesregierung. Diese Regelung gibt es heute freilich nicht mehr.“

Wie viele Stunden Oberascher hinter dem Steuer verbracht hat, kann er nicht sagen, wohl weiß er dagegen, gut dreieinhalb Millionen Kilometer in seiner 40jährigen Dienstzeit zurückgelegt zu haben, das entspricht 87 Erdumrundungen. Darunter fielen 1.300 Fahrten nach München (D) und 400 Fahrten nach Wien.

Der Pensionist hat sich alles fein säuberlich notiert. Als Zugabe sozusagen war er auch immer zur Stelle, wenn es um Spezialaufträge ging. Als im Jahr 1985 „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard im Landestheater uraufgeführt wurde, hatten der Autor Bernhard und der Regisseur Claus Peymann einen besonderen Wunsch. Für die Aufführung wurde Schweinegrunzen und ein brüllender Stier auf Band gebraucht.

„Die Schweine waren kein Problem, beim Stier musste ein befreundeter Bauer nachhelfen und hat ihm einen Tag lang kein Kraftfutter gegeben. Als er dann mit dem Futter in den Stall kam, war das Gebrüll bühnenreif.“

Oberascher lieferte ab und saugte sogar 800 Fliegen ein, die das exzentrische Theater-Duo Bernhard und Peymann auch noch auf die Besucher loslassen wollte. Schlussendlich kamen sie aber nie zum Einsatz.

„Die Behörde hat‘s verboten, weil ich nicht beweisen konnte, dass ich nach der Aufführung wieder alle Fliegen einfangen kann“, meint Oberascher mit einem Schmunzeln.

Diese und weitere Episoden von den Festspielen hat der 87jährige in seinem Buch „Henndorf vazöht“ festgehalten. Unter anderem, wie er für Helmut Lohner, der im Jahr 1966 den Teufel im „Jedermann“ verkörpert hat, eine Polizeieskorte organisierte, weil der Publikumsliebling sonst die Aufführung verpasst hätte

Auch wenn der Flachgauer längst in Pension ist, den Festspielen hält er als Förderer und Besucher bis heute die Treue. „Obwohl ich nicht jedes Stück versteh‘. Bis vor Kurzem hab‘ ich mir für den ,Jedermann‘ Stehkarten um 55 Euro gekauft. Das ist mit 87 Jahren aber schon ein bisserl mühsam. Deshalb leiste ich mir jetzt einen Sitzplatz.“

Vom eigenen Geld. In all den 40 Jahren im Dienst der Festspiele wurde Oberascher nur ein Mal zu einer „Jedermann“-Aufführung eingeladen. Die damalige Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler spendierte ihm und seiner Frau zwei Plätze in der zweiten Reihe.

„Aber ausgerechnet an dem Tag hat es geregnet und wir mussten ins Festspielhaus übersiedeln.“

Privilegien wollte Oberascher aber ohnehin nie. „Ich will die Festspiele leben lassen, drum zahle ich gern.“
b. reiter
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