Ausgabe Nr. 33/2024 vom 12.08.2024, Fotos: AdobeStock, © Stefanie Freynschlag, gynmed.at
Abtreibungen in Europa –
Zwischen legal und verboten: Frauen sollten selbst entscheiden dürfen
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Europaweit haben geschätzt mehr als 20 Millionen Schwangere keinen Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch. Das will die Initiative „My Voice, My Choice“ nun ändern.
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Der kleine Mittelmeerstaat Malta ist nicht nur für seine kulturellen Sehenswürdigkeiten und die schönen Strände bekannt, sondern bis vor Kurzem auch für eines der striktesten Abtreibungsgesetze der Welt. Drohten doch nicht nur der Frau, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollte, drei Jahre Haft, auch der durchführende Arzt musste mit bis zu vier Jahren Gefängnis rechnen.
Vor wenigen Monaten verabschiedete das maltesische Parlament ein Gesetz, das erstmals Abbrüche erlaubt. Aber nur dann, wenn die Frau aufgrund einer Schwangerschaftskomplikation in Lebensgefahr ist. Abtreibungen nach einer Vergewaltigung, nach Inzest (sexuelle Beziehung zwischen engsten Blutsverwandten) oder bei schweren Erkrankungen des Fötus blieben hingegen weiterhin illegal. Ähnlich streng sind auch die Abtreibungsgesetze in Polen.
Dort ist zwar ein Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche nach einer Vergewaltigung oder Inzest erlaubt, nicht aber, wenn das Ungeborene schwere Fehlbildungen aufweist.
Das führt immer wieder dazu, dass polnische Schwangere Abtreibungen im Ausland durchführen lassen – Schätzungen zufolge erfolgen jährlich etwa 200.000 Schwangerschaftsabbrüche illegal oder in anderen Ländern.
Die EU soll Mitgliedstaaten finanzielle Anreize geben
Ins Ausland ausweichen müssen auch ungewollt Schwangere aus Liechtenstein und Andorra. In den europäischen Kleinstaaten, die beide nicht zur EU gehören, besteht ein gänzliches Abtreibungsverbot.
„Europa ist ein Fleckerlteppich. Das zeigt ja schon, dass sich die Gesetzgebung nicht nach den Bedürfnissen der Betroffenen richtet. Die Bedürfnisse sind überall gleich, denn primär wollen die Menschen verhüten. Niemand will eine ungewollte Schwangerschaft, aber wenn etwas passiert, dann will jede Frau, dass sie möglichst rasch, unkompliziert und auf Krankenkassenkosten basierend versorgt wird“, meint der Gynäkologe und Verhütungsexperte DDr. Christian Fiala, 65.
„In vielen EU-Ländern ist der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen nicht sichergestellt. In Polen beispielsweise greifen viele Betroffene auf andere Methoden zurück, weil die rechtliche Lage es ihnen fast unmöglich macht, einen Abbruch durchführen zu lassen. Frauen sterben in Krankenhäusern, weil ihnen medizinische Hilfe untersagt wird – Ärztinnen und Ärzte haben Angst, verhaftet zu werden“, weiß Flora Bachmann, Kampagnenleiterin beim Verein „Aufstehn.at“.
Mehr als 20 Millionen Frauen in ganz Europa sind von dieser Problematik betroffen. Deshalb fordert das Bündnis „My Voice, My Choice“ – eine Bewegung von neun Organisationen (darunter auch „Aufstehn“) aus acht europäischen Ländern, die bereits aktiv auf nationaler Ebene für die Rechte der Frauen eingetreten sind – legale, sichere und kostenlose Schwangerschaftsabbrüche für alle EU-Bürgerinnen. Die Gruppierung sammelt seit 24. April mittels einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI) Unterstützungsbekundungen in allen 27 Mitgliedstaaten.
„Die Initative beruft sich dabei auf die unterstützende Zuständigkeit der Europäischen Union. Ziel ist, dass die EU ihren Mitgliedstaaten finanzielle Anreize gibt, den Zugang zu Abtreibungen sicherzustellen“, sagt Bachmann. In der Vergangenheit wurden durch Unterstützung der EU etwa europaweit Gratis-Brustkrebs-Screening-Programme eingerichtet. „In der Praxis könnte dank ,My Voice, My Choice‘ etwa eine Betroffene aus Polen in anderen EU-Ländern einen kostenfreien Zugang zum Abbruch bekommen“, ist Bachmann überzeugt.
Wie sehr die Thematik auch die heimischen Frauen betrifft, zeigt, „dass der Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch auch in unserem Land nicht überall und für alle gewährleistet ist. Bis heute gibt es Bundesländer, in denen nur eine oder sogar keine Anlaufstelle vorhanden ist“, erklärt Bachmann.
Frauen sollen selbst über ihren Körper bestimmen
Nicht zu wenige Ärzte, die Abbrüche vornehmen, sondern zu viele Restriktionen seien verantwortlich für die Situation, meint Fiala und spricht von einer „reproduktiven Bevormundung“. Er habe deshalb bereits zu Jahresbeginn zwei Volksbegehren (www.bevormundung-is.org) initiiert, die noch unterzeichnet werden können.
Für Fiala ist es nicht nachvollziehbar, dass fast 50 Jahre nach der Einführung der Fristenlösung (gesetzliche Regelung für einen Schwangerschaftsabbruch) in unserem Land „diese immer noch unter Strafandrohung mit bis zu einem Jahr Gefängnis steht“. Das sei zwar mittlerweile totes Recht – „kein Richter würde sich trauen, das umzusetzen“ –, aber es symbolisiere die staatliche Bevormundung über das Selbstbestimmungsrecht der Frauen.
In Wahrheit habe sich in den vergangenen 50 Jahren nichts verändert, „weil Menschen, die persönlich nicht davon betroffen sind, und beruflich Unqualifizierte mitreden, während die Frauen und die Fachkräfte kaum zu Wort kommen.“
„Der Schwangerschaftsabbruch wird von konservativen Kräften und religiösen Gruppierungen auch heute noch kriminalisiert“, bestätigt Flora Bachmann.
Das mache es für die Betroffenen schwer, offen über das Thema zu sprechen und eine freie und informierte Entscheidung zu treffen. „Genau deshalb, um die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und damit auch die eigene Zukunft zu gewährleisten, ist ein sicherer Zugang zu leistbaren Abtreibungen so wichtig.“ Immerhin bis zu 800 Euro kostet so ein Eingriff, den die Betroffene selbst bezahlen muss.
„Kosten, die wir als Gesellschaft den Frauen umhängen“, bekrittelt Fiala. „Gemeiner und frauenfeindlicher geht es wohl nicht mehr.“ Es wäre nur fair, würden Verhütung und Abtreibung auf Krankenkassenkosten vorgenomen werden.
Die Zahl der Abtreibungen beruht auf Schätzungen
Anders als etwa in Deutschland, gibt es keine heimische Statistik über Schwangerschaftsabbrüche. Fiala geht aber von 25.000 bis 30.000 Abbrüchen pro Jahr aus. Der Gynäkologe fordert deshalb auch die rezeptfreie Abgabe der Abtreibungspille.
Die mache nichts anderes als einen Spontanabort. „Wenn jede Frau selbst entscheiden könnte, dann gäbe es diese ganzen Probleme nicht“, weiß Fiala.
Dass „My Voice, My Choice“ nach wenigen Wochen mehr als 560.000 Unterstützer gewinnen konnte und damit die am schnellsten wachsende Europäische Bürgerinitiative der Geschichte ist, stimmt Flora Bachmann für die Zukunft aber optimistisch. regzep
So funktioniert die Europäische Bürgerinitiative:
Eine Initiative wird von einer Gruppe von mindestens sieben EU-Bürgern, die in mindestens sieben verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind und das Wahlrecht zum Europäischen Parlament besitzen (in der Regel ab dem 18. Geburtstag, in unserem Land ab dem 16. Geburtstag), vorbereitet und verwaltet.
Von dieser Organisatorengruppe muss eine geplante Europäische Bürgerinitiative (EBI) bei der Europäischen Kommission registriert werden und dann über das Internetportal „Europäische Bürgerinitiative“ eingereicht werden.
Beteiligen dürfen sich alle EU-Bürger, die das Wahlalter
im jeweiligen Mitgliedstaat erreicht haben. Staatsan-
gehörige aus Drittstaaten, die in der EU wohnen, dürfen nicht teilnehmen.
Die Unterstützungsbekundungen müssen innerhalb einer Frist von bis zu zwölf Monaten ab einem von den Organisatoren bestimmten Tag gesammelt werden.
Wenn eine Million Unterstützungsbekundungen aus mindestens sieben Mitgliedstaaten gesammelt werden konnten, kann eine EBI der EU-Kommission vorgelegt werden.
Je nach Größe der Bevölkerung und der Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments ist in jedem Mitgliedstaat ein bestimmtes Minimum an Unterstützungsbekundungen erforderlich.
In unserem Land sind mindestens 13.395 Unterstützungsbekundungen nötig.
Vor wenigen Monaten verabschiedete das maltesische Parlament ein Gesetz, das erstmals Abbrüche erlaubt. Aber nur dann, wenn die Frau aufgrund einer Schwangerschaftskomplikation in Lebensgefahr ist. Abtreibungen nach einer Vergewaltigung, nach Inzest (sexuelle Beziehung zwischen engsten Blutsverwandten) oder bei schweren Erkrankungen des Fötus blieben hingegen weiterhin illegal. Ähnlich streng sind auch die Abtreibungsgesetze in Polen.
Dort ist zwar ein Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche nach einer Vergewaltigung oder Inzest erlaubt, nicht aber, wenn das Ungeborene schwere Fehlbildungen aufweist.
Das führt immer wieder dazu, dass polnische Schwangere Abtreibungen im Ausland durchführen lassen – Schätzungen zufolge erfolgen jährlich etwa 200.000 Schwangerschaftsabbrüche illegal oder in anderen Ländern.
Die EU soll Mitgliedstaaten finanzielle Anreize geben
Ins Ausland ausweichen müssen auch ungewollt Schwangere aus Liechtenstein und Andorra. In den europäischen Kleinstaaten, die beide nicht zur EU gehören, besteht ein gänzliches Abtreibungsverbot.
„Europa ist ein Fleckerlteppich. Das zeigt ja schon, dass sich die Gesetzgebung nicht nach den Bedürfnissen der Betroffenen richtet. Die Bedürfnisse sind überall gleich, denn primär wollen die Menschen verhüten. Niemand will eine ungewollte Schwangerschaft, aber wenn etwas passiert, dann will jede Frau, dass sie möglichst rasch, unkompliziert und auf Krankenkassenkosten basierend versorgt wird“, meint der Gynäkologe und Verhütungsexperte DDr. Christian Fiala, 65.
„In vielen EU-Ländern ist der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen nicht sichergestellt. In Polen beispielsweise greifen viele Betroffene auf andere Methoden zurück, weil die rechtliche Lage es ihnen fast unmöglich macht, einen Abbruch durchführen zu lassen. Frauen sterben in Krankenhäusern, weil ihnen medizinische Hilfe untersagt wird – Ärztinnen und Ärzte haben Angst, verhaftet zu werden“, weiß Flora Bachmann, Kampagnenleiterin beim Verein „Aufstehn.at“.
Mehr als 20 Millionen Frauen in ganz Europa sind von dieser Problematik betroffen. Deshalb fordert das Bündnis „My Voice, My Choice“ – eine Bewegung von neun Organisationen (darunter auch „Aufstehn“) aus acht europäischen Ländern, die bereits aktiv auf nationaler Ebene für die Rechte der Frauen eingetreten sind – legale, sichere und kostenlose Schwangerschaftsabbrüche für alle EU-Bürgerinnen. Die Gruppierung sammelt seit 24. April mittels einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI) Unterstützungsbekundungen in allen 27 Mitgliedstaaten.
„Die Initative beruft sich dabei auf die unterstützende Zuständigkeit der Europäischen Union. Ziel ist, dass die EU ihren Mitgliedstaaten finanzielle Anreize gibt, den Zugang zu Abtreibungen sicherzustellen“, sagt Bachmann. In der Vergangenheit wurden durch Unterstützung der EU etwa europaweit Gratis-Brustkrebs-Screening-Programme eingerichtet. „In der Praxis könnte dank ,My Voice, My Choice‘ etwa eine Betroffene aus Polen in anderen EU-Ländern einen kostenfreien Zugang zum Abbruch bekommen“, ist Bachmann überzeugt.
Wie sehr die Thematik auch die heimischen Frauen betrifft, zeigt, „dass der Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch auch in unserem Land nicht überall und für alle gewährleistet ist. Bis heute gibt es Bundesländer, in denen nur eine oder sogar keine Anlaufstelle vorhanden ist“, erklärt Bachmann.
Frauen sollen selbst über ihren Körper bestimmen
Nicht zu wenige Ärzte, die Abbrüche vornehmen, sondern zu viele Restriktionen seien verantwortlich für die Situation, meint Fiala und spricht von einer „reproduktiven Bevormundung“. Er habe deshalb bereits zu Jahresbeginn zwei Volksbegehren (www.bevormundung-is.org) initiiert, die noch unterzeichnet werden können.
Für Fiala ist es nicht nachvollziehbar, dass fast 50 Jahre nach der Einführung der Fristenlösung (gesetzliche Regelung für einen Schwangerschaftsabbruch) in unserem Land „diese immer noch unter Strafandrohung mit bis zu einem Jahr Gefängnis steht“. Das sei zwar mittlerweile totes Recht – „kein Richter würde sich trauen, das umzusetzen“ –, aber es symbolisiere die staatliche Bevormundung über das Selbstbestimmungsrecht der Frauen.
In Wahrheit habe sich in den vergangenen 50 Jahren nichts verändert, „weil Menschen, die persönlich nicht davon betroffen sind, und beruflich Unqualifizierte mitreden, während die Frauen und die Fachkräfte kaum zu Wort kommen.“
„Der Schwangerschaftsabbruch wird von konservativen Kräften und religiösen Gruppierungen auch heute noch kriminalisiert“, bestätigt Flora Bachmann.
Das mache es für die Betroffenen schwer, offen über das Thema zu sprechen und eine freie und informierte Entscheidung zu treffen. „Genau deshalb, um die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und damit auch die eigene Zukunft zu gewährleisten, ist ein sicherer Zugang zu leistbaren Abtreibungen so wichtig.“ Immerhin bis zu 800 Euro kostet so ein Eingriff, den die Betroffene selbst bezahlen muss.
„Kosten, die wir als Gesellschaft den Frauen umhängen“, bekrittelt Fiala. „Gemeiner und frauenfeindlicher geht es wohl nicht mehr.“ Es wäre nur fair, würden Verhütung und Abtreibung auf Krankenkassenkosten vorgenomen werden.
Die Zahl der Abtreibungen beruht auf Schätzungen
Anders als etwa in Deutschland, gibt es keine heimische Statistik über Schwangerschaftsabbrüche. Fiala geht aber von 25.000 bis 30.000 Abbrüchen pro Jahr aus. Der Gynäkologe fordert deshalb auch die rezeptfreie Abgabe der Abtreibungspille.
Die mache nichts anderes als einen Spontanabort. „Wenn jede Frau selbst entscheiden könnte, dann gäbe es diese ganzen Probleme nicht“, weiß Fiala.
Dass „My Voice, My Choice“ nach wenigen Wochen mehr als 560.000 Unterstützer gewinnen konnte und damit die am schnellsten wachsende Europäische Bürgerinitiative der Geschichte ist, stimmt Flora Bachmann für die Zukunft aber optimistisch. regzep
So funktioniert die Europäische Bürgerinitiative:
Eine Initiative wird von einer Gruppe von mindestens sieben EU-Bürgern, die in mindestens sieben verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind und das Wahlrecht zum Europäischen Parlament besitzen (in der Regel ab dem 18. Geburtstag, in unserem Land ab dem 16. Geburtstag), vorbereitet und verwaltet.
Von dieser Organisatorengruppe muss eine geplante Europäische Bürgerinitiative (EBI) bei der Europäischen Kommission registriert werden und dann über das Internetportal „Europäische Bürgerinitiative“ eingereicht werden.
Beteiligen dürfen sich alle EU-Bürger, die das Wahlalter
im jeweiligen Mitgliedstaat erreicht haben. Staatsan-
gehörige aus Drittstaaten, die in der EU wohnen, dürfen nicht teilnehmen.
Die Unterstützungsbekundungen müssen innerhalb einer Frist von bis zu zwölf Monaten ab einem von den Organisatoren bestimmten Tag gesammelt werden.
Wenn eine Million Unterstützungsbekundungen aus mindestens sieben Mitgliedstaaten gesammelt werden konnten, kann eine EBI der EU-Kommission vorgelegt werden.
Je nach Größe der Bevölkerung und der Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments ist in jedem Mitgliedstaat ein bestimmtes Minimum an Unterstützungsbekundungen erforderlich.
In unserem Land sind mindestens 13.395 Unterstützungsbekundungen nötig.
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