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Ausgabe Nr. 32/2024 vom 06.08.2024, Foto: picturedesk.com
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Konstantin Wecker
Konstantin Wecker: „Liebe und Poesie lassen sich nicht erklären“
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Der Münchener Liedermacher, Pazifist und Poet Konstantin Wecker tourt derzeit mit den Liedern seines Lebens durch die Lande. Nun hat sich der 77jährige Deutsche etwas Außergewöhnliches einfallen lassen. In der Konzertreihe „Der Soundtrack meines Lebens“ (bereits im Handel) wird er durch einen großen Galaabend führen, bei dem er seine verblüffend zahlreichen Film- und Fernsehmelodien aus den vergangenen 45 Jahren präsentieren wird. Der WOCHE-Reporter Steffen Rüth hat sich mit einem gutgelaunten Künstler unterhalten.
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Herr Wecker, wie ist das Befinden?

Ausgezeichnet, nur mein Rücken macht mir noch immer Probleme. Ich habe mir vor einigen Monaten einen Rückenwirbel gebrochen. Der ist zwar geheilt, aber die Fehlhaltung macht sich noch bemerkbar. Also gehe ich nachher noch in den Park und mache ein paar Übungen.

Welche Übungen sind das?

Vor allem gehe ich ohne Stöcke so, als würde ich mit Stöcken gehen. Mit dem Ziel, beim Gehen den Oberkörper mitzubewegen. Das sieht zwar blöd aus, aber in meinem Alter bin ich nicht mehr besonders eitel (lacht).

Sie beginnen Ihren großen, dreistündigen Filmmusikreigen „Der Soundtrack meines Lebens“ ausgerechnet mit der Musik zum kultigen Softpornofilm „Beim Jodeln juckt die Lederhose“. Wollen Sie den Menschen damit sagen, kommt, der große Wecker hat auch einmal ganz klein angefangen?

(lacht) Sie wissen schon, dass ich in den meisten Filmen, für die ich die Musik geschrieben habe, auch selbst mitspielt habe?

Durchaus. Sie machen keine schlechte Figur als junger bayerischer Liebhaber …

Das war damals mehr oder weniger eine Studententätigkeit. Und ehrlich gesagt deutlich angenehmer und besser bezahlt als zum Beispiel Möbelpacker. Außerdem war es in den siebziger Jahren selbst für bekannte Schauspieler wie Heiner Lauterbach üblich, da mitzumachen. Es gab ja kaum andere deutsche Filme. Wenn du überleben wolltest, musstest du Softpornos drehen.

Wie war die Arbeit?

Die Arbeit hat Spaß gemacht, vor allem nach Drehschluss (lacht). Ich war damals Anfang 20, ungebunden, und die siebziger Jahre waren eine wilde, lustige Zeit.

Die „Lederhose“ kam 1974 raus, aber parallel dazu haben Sie schon ihr erstes Album „Die sadopoetischen Gesänge des Konstantin Amadeus Wecker“ veröffentlicht. Vertrugen sich die beiden Karrieren miteinander?

Jedenfalls nicht auf Dauer. Diese poetischen, schönen Lieder von der ersten Platte könnte ich auch heute noch singen. Und einige Jahre später, 1977, kam „Willy“ raus, mein Lied über einen von Neonazis ermordeten Freund, das bis heute bedrückend aktuell geblieben ist. Nun, zu der Zeit kam eine völlig empörte Mädchenklasse zu mir und erzählte, sie sei gerade in London (England) gewesen. Und dort, in Soho, hätten sie ein Sexfilmplakat mit mir drauf gesehen. Wie ich das denn mit dem „Willy“ vereinbaren könne (lacht). Anschließend habe ich entschieden, diese Art von Filmen nicht mehr zu machen.

Gehören Poesie und Erotik für Sie denn eng zusammen?

Natürlich. Noch besser passen allerdings Poesie und Liebe. Beides lässt sich rational nicht erklären. Die Poesie kommt aus dem tiefsten Herzen. Ich sage dem Publikum immer, dass meine Lieder klüger waren als ich. Genau wie die Liebe sind mir diese Lieder einfach passiert.

Sie gelten als Anarchist, der Herrschaftsformen ablehnt. Wie ratlos stehen Sie der Gegenwart gegenüber?

Ich bin nicht nur Anarchist, sondern auch bekennender Pazifist. Ich bin überzeugt, dass es gerade jetzt besonders wichtig ist, durch Kunst Mut zu machen. Ich spüre auch bei meinen Konzerten, wie sehr das Publikum diese Ermutigung braucht.

Wer oder was ermutigt Konstantin Wecker?

Vor allem die Kunst, die Literatur. Schon als junger Mensch habe ich „Die Welt von gestern“ von Stefan Zweig gelesen, ja aufgesaugt, und mich persönlich gut aufgehoben und verstanden gefühlt in diesen Lebenserinnerungen des großen österreichischen Schriftstellers und Pazifisten. Zweig hat mich bestärkt in meiner Vorstellung von einer herrschaftsfreien Welt, von deren Vorzügen ich nach wie vor überzeugt bin. Vielleicht stehen wir ja am Ende des Patriarchats. Von Caligula bis Trump haben uns gierige, männliche Machtmenschen ins Elend getrieben und uns an einem liebevollen Zusammenleben gehindert.

Die Kunst kann sich dafür einsetzen. Und Sie denken wohl noch nicht daran, sich alsbald zur Ruhe zu setzen oder?

Ich habe Charles Aznavour als Neunzigjährigen erlebt (er starb 2018 im Alter von 94 Jahren), er war noch gut bei Stimme. Ein paar Jahre lang möchte ich schon noch auf der Bühne stehen. Gerade in der jetzigen Zeit merke ich, wie wichtig es ist, mit Kunst Mut zu machen.

Ermutigt Ihr Schaffen auch Sie selbst?

Natürlich. Ohne die Bühne wäre ich ein Schriftsteller in Einsamkeit. Mein wunderbares Publikum bewahrt mich vor dem Zynismus.
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