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Ausgabe Nr. 14/2024 vom 02.04.2024, Fotos: zVg
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Die spektakulärsten Mordfälle unseres Landes – Serie Teil 5
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Ihrem eigenen Ehemann verabreichte Blauensteiner jahrelang Euglucon (li. o.). Der 52jährige (li.) starb qualvoll an Unterzuckerung.
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Blauensteiner inszenierte ihre Auftritte vor Gericht.
Ihre Opfer suchte sie
per Zeitungsannonce
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Die als „Schwarze Witwe“ titulierte Serienmörderin Elfriede Blauensteiner verabreichte Pensionisten, die sie vorher aufopfernd gepflegt hatte, tödliche Medikamentencocktails.
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Experten schätzen, dass die meisten Giftmorde in unserem Land unentdeckt bleiben, vor allem, wenn Unter- und Überdosierungen von Medikamenten im Spiel sind. Fast alle giftigen und körperfremden Substanzen können zwar auch noch nach Jahren nachgewiesen werden, aber ohne die Vermutung, dass jemand eines unnatürlichen Todes gestorben sein könnte, wird nicht danach gesucht.

Diese Tatsache hat sich Elfriede Blauensteiner zunutze gemacht. Sie verstand es, ihre Opfer so zu vergiften, dass keinerlei Verdacht geschöpft wurde. Wann immer ihr ein Mensch lästig wurde, fällte sie das Todesurteil über ihn – ohne Gefühl und ohne Skrupel. „Das Einzige, was ich in meinem Leben immer tun wollte, war, anderen zu helfen“, behauptete Elfriede Blauensteiner später von sich. In Wahrheit genoss die Frau es, dass „ihre pflegebedürftigen Schützlinge“ ihr komplett ausgeliefert waren und sie die totale Kontrolle über ihre Opfer hatte.

Die am 22. Jänner 1931 in Wien-Favoriten geborene Elfriede Martha Blauensteiner wuchs in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit auf, die für die neunköpfige Familie noch härter wurde, als der Vater im Krieg fiel. In der engen Zwei-Zimmer-Wohnung am Wienerfeld lernte das Kind Armut kennen und hassen. Geld und die „große Welt“ schienen damals unerreichbar. Als Elfriede Blauensteiner ihren ersten Mann kennenlernte, glaubte sie, durch eine Ehe mit ihm der Tristesse ihres Lebens entkommen zu können. Später bezeichnete sie ihn als ihre „große Liebe“, die Scheidung als ihr persönliches „Waterloo“. Und den Beginn von ihrem notorischen Männer-Hass.

Blauensteiner entwickelte einen Hass auf Männer

Das erste Mal lebte sie diesen aus, als sie im Jahr 1985 dem Hausmeister in ihrem Wohnhaus zum Selbstmord „verhalf“. Der Mann gestand Blauensteiner, ohnehin schon mehrmals überlegt zu haben, sich vor einen Zug zu werfen. Sie mixte dem gewalttätigen Familienvater daraufhin einen „Spezialcocktail“ und drängte ihn, einen Abschiedsbrief zu schreiben.

Als hilfsbereit galt Elfriede Blauensteiner schon seit ihrer frühesten Jugend. Auch bei ihren jeweiligen Partnern zeigte sie sich stets von ihrer besorgten Seite. Ihren Ziehvater Otto Reinl nahm sie 1986 in Pflege zu sich nach Hause. „Vatili“, wie sie ihn nannte, war Typ-2-Diabetiker und musste deshalb das blutzuckersenkende Medikament „Euglucon“ nehmen. Dieses Mittel führt bei nicht zuckerkranken Menschen zu einer schweren Unterzuckerung, kann aber im Todesfall nur schwer als „wahre Todesursache“ diagnostiziert werden.

Blauensteiner studierte den Beipackzettel genau und verabreichte Reinl immer höhere Dosen des Medikaments. Der Mann wurde wiederholt wegen Unterzuckerung ins Spital gebracht. Eines Tages beschloss Blauensteiner, ihn mit einer Überdosis „von seinen Leiden zu erlösen“.

Das nächste Opfer war ihr zweiter Ehemann, Rudolf Blauensteiner. Auch ihm verabreichte sie sechs Jahre lang das blutzuckersenkende Medikament. Der ÖBB-Fahrdienstleiter verfiel zusehends, lag sogar 13 Tage im Koma. Nachdem er krankheitsbedingt begann, ins Bett zu machen, „grauste mir so, dass ich ihn erlösen musste“, bekannte sie vor Gericht. Am 10. August 1992 starb der 52jährige. Ihren „Rudi“ ließ die damals 61jährige vorsorglich einäschern und in Reinls Grab beisetzen.

Elfriede Blauensteiner begann, an der „sauberen“ Tötungs-Methode Gefallen zu finden. Ihre späteren Opfer suchte sie nach den Kriterien „alt und reich“ aus. Das traf auch auf ihre Nachbarin Franziska Köberl zu, ihr „Sorgenmutterl“, wie sie die 84jährige nannte. Blauensteiner übersiedelte in die Wohnung der Frau, um sie zu pflegen. Auch ihr verabreichte sie Euglucon. Doch das Mittel wirkte nicht wie geplant, weil Köberl heimlich Süßigkeiten naschte und so dem blutzuckersenkenden Medikament „entgegenwirkte“.

Das Geld aus der Erbschaft
brachte sie im Casino durch


Blauensteiner erhöhte die Dosis und lockte der betagten Frau einige Sparbücher mit mehreren Millionen Schilling Einlage heraus. Auch das Testament änderte Köberl zu ihren Gunsten. Nachdem von der alten Frau nur noch ein „bettlägeriges Knochengerüst“ übrig war, beschloss Blauensteiner, sie mit einer Überdosis des Diabetikermedikaments – aufgelöst in einem Häferl Milchkaffee – am 15. Dezember 1992 ins Jenseits zu befördern. Die Erbschaft gab die leidenschaftliche Casinogeherin mit vollen Händen für Schmuck und teure Kleidung aus. Endlich konnte sich das „Kind aus ärmlichen Verhältnissen“ das erträumte Luxusleben leisten. Das Geld hatte sie jedoch schon bald verprasst.

Auf der Suche nach neuen Opfern gab die Mörderin im Frühjahr 1994 mehrere Zeitungsinserate auf. Als „Witwe, treusorgende Kameradin und Krankenschwester“ wolle sie mit einem wohlhabenden Witwer einen „ruhigen Lebensabend“ verbringen, hieß es etwa in einer Annonce.

Der 64jährige Pensionist Friedrich Döcker fühlte sich angesprochen und heiratete die Frau sogar. Bereits drei Tage nach der Eheschließung brachte sie Döcker dazu, ihr sein Haus (Wert damals € 218.000,–) zu überschreiben. Danach begann sie, dem bis dahin fitten Mann Euglucon-Tabletten in den Kaffee zu mischen. Obwohl sie „ihr Fritzerl wirklich liebte“, wie sie später beteuerte, nervte es sie, dass er „Zuneigung von mir forderte“. Ende 1994 musste Döcker ins Spital und Blauensteiner verkaufte das Haus. Sie nahm Döcker danach in ihrer Wohnung auf, der war nun aber mittellos und somit wertlos für sie. Blauensteiner „intensivierte die Pflege“, was für Döcker im Juni 1995 tödlich endete.

Bereits vor seinem Tod hatte sie wieder Kontaktanzeigen geschaltet und aus den etwa 80 Zuschriften den damals 76jährigen Witwer Alois Pichler ausgewählt. Im Oktober 1995 zog Blauensteiner zu dem vermögenden, alleinstehenden Mann in dessen Haus in Rossatz in der Wachau (NÖ).

Je reicher das Opfer, desto schneller der Tod

Der pensionierte Postamtsleiter, bis dahin pumperlgesund, wurde am 20. Oktober mit dem Notarztwagen bewusstlos – mit akutem Unterzucker – ins Kremser Krankenhaus eingeliefert. Am 2. November landete ihr „Burli“ erneut mit extrem niedrigen Zuckerwerten im Spital, wurde aber am 17. November 1995 als gesund entlassen. Angeblich habe er an diesem Tag, laut Blauensteiner, seinen letzten Willen zu ihren Gunsten geändert. Nur vier Tage später starb Pichler. Zuvor hatte Blauensteiner mit Hilfe ihres Anwalts (der später wegen Beihilfe zum Mord angeklagt wurde) den stark geschwächten Mann in der Badewanne abgeduscht und danach vors offene Fenster gesetzt, um seinen Tod zu beschleunigen.

Pichlers Schwester kam der plötzliche Tod des Bruders eigenartig vor. Zusammen mit dem Ortspfarrer informierte sie Pichlers Wahlneffen, der schließlich Anzeige bei der Polizei erstattete. Das für 25. November 1995 geplante Begräbnis von Alois Pichler wurde daraufhin verschoben und die Leiche zur Obduktion nach Wien gebracht. Als die Gerichtsmediziner große Mengen des geschmacksneutralen Antidepressivums „Anafranil“ in Pichlers Blut fanden, übernahm die Mordkommission den Fall. Die Ermittlungen gegen Blauensteiner begannen.

Die ahnte noch nichts, als sie am 1. Dezember bei Pichlers Begräbnis ihren großen Auftritt als trauernde „Witwe“ hatte. „Adieu Alois“, rief sie am offenen Grab. Dann legte sie einen Strauß roter Rosen auf den Sarg und ging grußlos davon. Bei der Rückfahrt nach Wien kritzelte sie bereits den Entwurf für die nächste Kontaktanzeige auf Pichlers Partezettel.

Etwa ein Monat nach dessen Tod bewilligte das Gericht Krems, dass Blauensteiner abgehört werden durfte. Aufgrund der Gespräche wurde die Frau dann am 11. Jänner 1996 in ihrer Wiener Wohnung verhaftet. Die niederösterreichischen Kriminalisten bezeichneten Blauensteiner als „durch und durch berechnend“, nannten ihre Vorgehensweise die „Blauensteiner-Methode“ – je reicher das Opfer, desto schneller war der Tod. Die Frau zeigte sich bei den Einvernahmen nur dann kooperativ, wenn es seitens der ermittelnden Beamten klare Beweise gab. Schlussendlich gestand Blauensteiner insgesamt sechs Morde, die sie aber vor dem Untersuchungsrichter später widerrief.

Der für zwei Wochen anberaumte Prozess gegen die „Schwarze Witwe“ begann am 10. Februar 1997 in Krems. Verhandelt wurde vorerst nur der Mord an Alois Pichler. Blauensteiner genoss ihre „Auftritte“ im Gerichtssaal, hielt improvisierte Pressekonferenzen mit den wartenden Journalisten ab. Dem Richter gegenüber gab sie sich schlagfertig. Dass sie beim Prozess den Wahlneffen und eigentlichen Erben Pichlers beschuldigte, nützte ihr letztlich auch nichts. Laut den Sachverständigen wurden im Körper von Alois Pichler eine „massive Überdosis Anafranil“ festgestellt, der Ankläger sprach von einer vorsätzlichen Tötung. Am 7. März 1997 wurde die 66jährige schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Senat begründete das unter anderem mit der Geldgier der leidenschaftlichen Casinobesucherin (230 Casinobesuche im Jahr) und der besonderen Heimtücke. Insgesamt soll sie umgerechnet etwa 1,3 Millionen Euro im Laufe der Zeit geerbt oder geschenkt bekommen haben.

Die mittlerweile 70jährige musste im April 2001 neuerlich vor Gericht. In der exhumierten Leiche von Franziska Köberl konnten Spuren von Euglucon nachgewiesen werden, ausreichend für eine Mordanklage. Auch im Fall Döcker stimmten die Geschworenen für Mord. Da sie ohnehin schon lebenslang für den Mord an Pichler ausgefasst hatte, konnten die beiden neuen Schuldsprüche nur eine eventuelle vorzeitige Entlassung verhindern. „Sperren Sie mich ein. Lassen Sie mich bis zu meinem Sterben im Gefängnis“, äußerte sie sich theatralisch zu den Urteilen.

Der Tod kam dann schneller, als Elfriede Blauensteiner gedacht hatte. Am 15. November 2003 starb die Serien-Mörderin im Spital von Neunkirchen (NÖ) an den Folgen eines Gehirntumors. rz
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