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Ausgabe Nr. 45/2023 vom 07.11.2023, Foto: Ed Miles
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OMD
Unser Büro war eine Telefonzelle
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Sie hatten in den 80er Jahren ihre beste Zeit. Mit „Souvenir“, „Joan Of Arc“, „Maid Of Orleans“ und „If You Leave“ aus dem Film „Pretty in Pink“ gelang es der britischen Band „Orchestral Manoeuvres In The Dark“, kurz „OMD“, den Synthiepop populär zu machen. Doch in den 90ern gingen die Akteure des Projektes, Andy McCluskey (64, re.) und Paul Humphries, 63, getrennte Wege. Jetzt meldet sich das Duo mit dem Album „Bauhaus Staircase“ (bereits im Handel) zurück. Die Platte ist eine Hommage an die bahnbrechende Künstlergruppe und gleichzeitig ein politisches Statement.
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Herr Humphries, Sie sind vor zwei Jahren Vater geworden. Glückwunsch.

Paul Humphries: Herzlichen Dank. Ja, ich habe eine wunderbare Frau aus Litauen geheiratet, und zu unserer eigenen Überraschung wurde sie schwanger. Jetzt habe ich eine zweijährige und eine 31jährige Tochter. Manchmal könnte ich fast glauben, ich wäre wieder jung.

Im Titelstück des neuen Albums singen Sie, Herr McCluskey, wie gern Sie jemanden in einem Bauhaus-Stiegenhaus küssen würden. Kommen Sie voran mit dem Projekt?

Andy McCluskey: Aktuell nur mäßig. Ich bin wieder Single, doch der Wunsch, in Dessau oder einer der anderen Bauhaus-Städte in einem solchen wunderbaren Gebäude der Frau, die ich liebe, einen innigen Kuss zu geben, der ist stark. Das Lied selbst handelt von der Schönheit und der Verführungskraft von Kunst. Ja, ich denke, ein Kuss auf einer Bauhaus-Stiege würde mich zum glücklichsten Menschen der Welt machen.

Sie beide haben Höhen und Tiefen erlebt, jahrelang haben Sie getrennt Musik gemacht, erst vor etwa fünfzehn Jahren haben Sie wieder zusammengefunden. Wie fürsorglich gehen Sie miteinander um?

Humphries: Wir lieben es, in „OMD“ zu sein. Ja, wir lieben es, zusammen zu sein. Wir müssten das alles nicht mehr tun, aber wir ziehen Freude aus unserem gemeinsamen Wirken.

McCluskey: Wir sind wie Brüder, wir können uns auch in den Wahnsinn treiben. Aber wir kennen uns, seit wir sieben Jahre alt sind. Wir haben uns gern.

Sie haben sogar ein eigenes Museum unweit von London, das vermutlich kleinste der Welt …

McCluskey: Stimmt. Es ist eigentlich eine alte Telefonzelle mit Wählscheibe. Wer den Hörer abnimmt und verschiedene Nummern wählt, kann meine Stimme hören, wie ich über die Geschichte der Telefonzelle spreche. Sie war unser Büro in den Anfangszeiten von „OMD“ Ende der 1970er. Vor fünf Jahren wurde sie entfernt, weil ja niemand mehr Telefonzellen nutzt. Aber es gab einen großen Aufschrei, als sie weg war, weil sie so berühmt war und ein Wallfahrtsort für Anhänger und Pilger. Also haben sie wieder die Original-„OMD“-Telefonzelle hingestellt. Eine Wohltätigkeits-Organisation kümmert sich nun darum.

Inwiefern war die Telefonzelle Ihr Büro?

McCluskey: Als Paul und ich Teenager waren, hatten wir zu Hause noch keine Telefone. Wir waren ständig in dieser Telefonzelle und riefen einschlägige Musikzeitschriften an, um uns vorzustellen und damit sie uns in ihren Konzertkalender aufnehmen würden. Ich erinnere mich genau an den Tag, als ich beim Musikmagazin „Sounds“ anrief und sie bat, den allerersten „OMD“-Auftritt am 12. Oktober 1978 im „Eric‘s Club“ in Liverpool anzukündigen. Der Journalist am anderen Ende der Leitung fragte: „Wie heißt eure Band denn?“ Und ich antwortete: „Orchestral Manoeuvres In The Dark“. Und er meinte nur: „Verzieh dich. Mit dem Namen schafft ihr es nirgendwohin.“

Sie haben große Hits produziert, unter anderem „Joan Of Arc“, dennoch löste sich „OMD“ 1989 auf. Stimmt es, dass Ihnen, Herr Humphreys, die Musik zu kommerziell wurde?

Humphreys: Nein, unser größtes Problem war damals das Geld. Wir hatten unser Hobby zum Beruf gemacht. Aber trotzdem mussten wir darauf achten, auch andere Menschen bezahlen zu können, die uns geholfen haben. Wir haben unseren Plattenvertrag mit 19 Jahren unterschrieben. Der war grausam, schon fast kriminell. Wir verkauften Millionen von Platten, aber 1988 waren wir es, die unserer Plattenfirma Millionen von Pfund schuldeten, dabei hatten wir weder Schlösser noch Privatjets gekauft. Aber wir mussten für alles selbst bezahlen: Studioaufnahmen, Videodrehs und die Tourneen.

Das Stück „Kleptocracy“ auf dem neuen Album klingt
ganz schön wütend. Es ist ein Angriff auf die
politische Klasse. Was erzürnt Sie so?


McCluskey: Wo soll ich anfangen und wie viel Zeit haben wir?
Früher fand die Korruption unterm Tisch statt. Heute ist für alle offen zu sehen, wie käuflich und verkommen unsere Politik geworden ist.

Bei Konzerten tanzen Sie ganz schön wild auf der Bühne herum, da ist Ihnen, Herr McCluskey, nicht
anzusehen, dass Sie die 60 überschritten haben …


McCluskey: Ja, tut mir leid. Ich habe mir eigentlich geschworen, dass ich mir meine Würde erhalten werde. Aber wenn die Musik anfängt und das Publikum in Fahrt kommt, kann ich mich einfach nicht zurückhalten. Paul sagt gerne, ich hätte bereits 40 Jahre damit verbracht, seine statische Haltung auf der Bühne zu kompensieren. Aber ich sage ganz ehrlich: Ich würde mich langweilen, wenn ich das tun müsste, was Paul tut. Ich könnte nicht die ganze Zeit hinter einem Synthesizer stillstehen. Aber einer muss stillstehen, um die richtigen Noten zu spielen.

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