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Ausgabe Nr. 44/2023 vom 30.10.2023, Fotos: Judith M.Troelss
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Hans Guggenberger bei der Kapelle am Museumsfriedhof.
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Ein Friedhof zum Schmunzeln
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Der Schmied Hans Guggenberger hat in seinem Museumsfriedhof in Kramsach (T) eine einzigartige Sammlung von Grabinschriften, die davon zeugt, wie gewitzt der Volksmund früher Trauer und Humor zusammenreimte.
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Wer einen Friedhof betritt, wird wohl unweigerlich von einem Gefühl der Demut gepackt, führen die vielen Grabkreuze doch überdeutlich die Endlichkeit des Lebens vor Augen.

Das ist auch am Friedhof von Hans Guggenberger in Kramsach (T) nicht anders. Doch beim Betrachten der Inschriften der Gedenktafeln ändert sich die Stimmungslage. Dass etwa ein Witwer mit den Worten „Hier ist mein Weib, Gott sei‘s gedankt, oft hat sie mit mir gezankt. O lieber Wanderer geh gleich fort von hier, sonst steht sie auf und zankt mit dir“ die herausragendste Eigenschaft seiner verstorbenen Gemahlin würdigt, zieht die Mundwinkel unweigerlich nach oben.

Am wohl lustigsten Friedhof der Welt darf auch einmal gelacht werden. In einem Waldstück zwischen Fichten, Lärchen, Buchen und Zedern stecken entlang eines etwa 300 Meter langen Weges die schmiedeeisernen Kreuze im Boden.

Der Unterschied zu einem „normalen“ Friedhof sind nicht nur die durchwegs kuriosen Sprüche, die darauf angebracht sind. Die Adressaten dieser Sprüche liegen auch nicht mehr unter den Kreuzen.

Vor mehr als 50 Jahren begann die Sammelleidenschaft des Kunstschmied- und Steinmetzmeisters. Bereits sein Vater und Großvater waren Kunstschmiede und fertigten Grabkreuze an. „Ab und zu haben wir ein altes von Menschen bekommen, die das nicht mehr wollten. Auf diese Art und Weise habe ich dann begonnen, lustige Sprüche zu sammeln“, erinnert sich der 74jährige. Zu Beginn eher nebensächlich am eigentlich der Kundenausstellung gewidmeten „Schau-Friedhof“, gewannen sie mit der Zeit aber immer mehr an Popularität und der Museumsfriedhof wurde zum Herzensprojekt von Hans Guggenberger.

Mittlerweile befinden sich nahezu 1.000 Stück dieser Kuriositäten in seinem Fundus, von denen viele auf seinem Gelände zu beschmunzeln sind (Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt ist kostenlos, freiwillige Spenden tragen zum Erhalt des Museumsfriedhofes bei).

Was auffällt, ist, dass die kurzen Sprücherln einiges an Information über den Verstorbenen preisgeben.

„Hier ruht der Grugger von Leichtheiten, er starb an einem Blasenleiden. Er war schon je ein schlechter Brunzer, drum bet für ihn ein Vaterunser“ informiert, ein wenig holprig gereimt, nicht nur über Herrn Gruggers Todesursache, sondern auch, wie es dazu gekommen ist.

Dass sich der ganze Hergang eines Todesfalles durch Ertrinken, weil eine Brücke just in dem Moment brach, als das Opfer den Steg überqueren wollte, in nur sieben Worten schildern lässt, beweist die Inschrift „Bruckle gonga, Bruckle brocha, Obigfolla und versoffa“.

Sogar eine gewisse präventive Wirkung liegt manchen Inschriften inne. Dass über familiäre Gewalt Worte wie „Hier liegt Martin Krug, der Kinder, Weib und Orgel schlug“ bis in alle Ewigkeit von den Schandtaten Zeugnis geben, könnte so manches Familienoberhaupt davon abgehalten haben, seine Hand zu erheben.

„Die meisten Kreuze sind zwischen 150 und 250 Jahre alt. Die Menschen waren damals viel gläubiger und ehrlicher. Sie haben an die Auferstehung geglaubt und wollten so demjenigen noch eins auswischen“, erklärt der Sammler die manchmal derben Inhalte. „Mir ist schon wichtig, dass das kein Jux-Friedhof ist.

Diese historischen Grabkreuze sollten mit dem nötigen Respekt behandelt werden, sie sind ein wichtiger Beitrag zur Volkskultur“, sagt Guggenberger. Wer entlang der Grabkreuze mit den lustigen, kuriosen Inschriften gewandert ist, gelangt zum Totentanzzyklus, der das Gelände begrenzt.

Hier setzt nun wieder die Nachdenklichkeit ein. Bereits im Jahr 2018 wurde der Museumsfriedhof mit einem sogenannten Totentanz erweitert, der im Mai des vergangenen Jahres um einen zweiten Teil ergänzt wurde. Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit des Lebens wurde vom Bildhauer Markus Thurner entworfen.

Auf insgesamt 35 Quadratmetern ist der erste Totentanzzyklus mit dem Titel „Das Letzte“ auf zehn Stahltafeln aufgeteilt und zwanzig Meter lang. Hier findet sich eine junge Frau im ekstatischen Tanz, dort ein Extremsportler, der auf dem Weg zum Gipfelerfolg zusammenbricht. Ein ornamentales Herbstlaub-Motiv verbindet die Tafeln.

Teil zwei erstreckt sich über 15 Meter. Somit gilt das Kunstwerk als größter zeitgenössischer Totentanz-Zyklus der Welt. „Der Tod gehört zum Leben, daher sollten wir uns dankbar für das Leben zeigen und es so genießen, wie es ist“, sinniert der 74jährige über das Kunstwerk auf einem Friedhof, auf dem auch gelacht werden darf. Der aber deshalb noch lange kein „Jux-Friedhof“ ist.
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