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Ausgabe Nr. 35/2023 vom 29.08.2023, Foto: Bruno Murari
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Kevin Rowland
„Eigentlich sollten Männer Röcke tragen“
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Es ist nicht überliefert, wie viele Menschen das „Too-ra-loo-rye-ay“ vom Achtziger-Hit „Come On Eileen“ noch heute mitsingen. Kevin Rowland, 70, Gründervater und Sänger der 1978 ins Leben gerufenen „Dexys Midnight Runners“, mittlerweile kurz „Dexys“ genannt, meldet sich jetzt mit der neuen Platte „The Feminine Divine“ (bereits im Handel) zurück. Wie der Titel vermuten lässt, feiert er darauf das göttliche Weibliche und setzt sich mit der Rolle des Mannes auseinander. Auch seine feminine Seite erkundet er immer wieder, wie er im Gespräch mit der WOCHE-Reporterin Katja Schwemmers erzählt.
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Herr Rowland, „I‘m Going To Get Free“ heißt das erste Lied auf Ihrem neuen Album „The Feminine Divine“. Wovon müssen Sie sich befreien?
Von Einschränkungen, die ich mir selbst auferlegt habe. In dem Sinne ist es ein „Coming-Out“-Lied. Das kann sich auf die sexuelle Orientierung beziehen, den Hang zur femininen Garderobe oder generell auf extravagantes Aussehen – was auch immer jemand ist. Es kann auch jeden Tag etwas anderes sein. Wir hatten jedenfalls viel Spaß beim Dreh des Videos, in dem ich durch die Straßen gehe, singe und tanze. Ein Typ im Auto hielt eigens an und spielte irre laut „Come On Eileen“ – als hätten wir das Lied nicht schon tausend Mal gehört.

Immerhin landeten die „Dexys Midnight Runners“ im Jahr 1982 mit „Come On Eileen“ einen weltweiten Hit. Sogar in Amerika waren Sie auf Platz eins. Wie stehen Sie heute zu dem Lied?
Ich bin dankbar für alles, was der Song mir gegeben und ermöglicht hat. Er hat mir viele Türen geöffnet, mir Einkünfte beschert, dafür bin ich besonders dankbar. Aber mein Gefühl ist auch etwas zwiegespalten. Es ist frustrierend, wenn die Menschen glauben, alles drehe sich bei uns nur um den einen Song. Wir selbst sehen unsere Band ganz anders.

Sie finden es unfair, als sogenanntes „One-Hit-Wonder“ wahrgenommen zu werden?
Nun, ich kann die Menschen, die uns dafür halten, ja nicht auf individueller Basis vom Gegenteil überzeugen. Ich denke aber schon, dass wir insbesondere in Großbritannien für mehr als den einen Song stehen. Wir hatten sowieso zwei Nummer-eins-Hits dort. Wenn man mich fragt, ob wir ein Ein-Hit-Wunder sind, frage ich gerne zurück: „Und wie viele Hits hatten Sie so?“

Heute gelten Sie als Stilikone …
Ich bekomme viele Komplimente von Menschen, die ich gar nicht kenne. Das kann schon den Tag retten, wenn du die Straßen entlanggehst, jemand auf dich zukommt und meint: „Ich wollte dir nur sagen, dass ich deine Kleidung mag. Du siehst großartig aus.“

Wie sehen Sie heute die Jeans-Overalls aus dem „Come On Eileen“-Video?
Die beschäftigen mich weniger, ich war eine völlig andere Person damals. Ich war noch sehr männlich gestrickt. Sie hätten mich 1982 jedenfalls nicht im Rock gesehen, so wie auf einigen neuen Pressebildern.

Historisch gesehen ist der Rock für den Mann nichts
Ungewöhnliches …

Stimmt. Wenn wir die Körperlichkeit und Form eines Mannes betrachten, macht es sogar mehr Sinn für einen Mann, einen Rock zu tragen. Oder ein Kleid anstatt enger Hosen. Es hagelte allerdings gleich schlimme Kommentare auf unseren sozialen Kanälen. Ein Typ schrieb als Reaktion auf das neue Lied „The Feminine Divine“, dass er die „Dexys“ zwar möge, aber diese Männerhasserei nicht unterstützen würde. So ein Quatsch! Aber es ist ein wichtiger Teil des neuen Albums, meine Weiblichkeit zu umarmen und auszubrechen von den Bürden, die mir auferlegt wurden, als ich jung war. Ich musste damals ein harter Bursche sein, um durchs Leben zu kommen.

Wurde Ihnen das von den Eltern mitgegeben?
Ich denke nicht, dass meine Eltern es mir konkret sagten. Niemand sagte es. Aber es war das Rollenbild, das mir als Heranwachsender vermittelt wurde: Wenn du nicht
hart bist, wird jemand dir deine Freundin ausspannen. Deine Freundin wird keinerlei Respekt vor dir haben, wenn du nicht ein harter Typ bist. Und du wirst von der ganzen Welt übers Ohr gehauen. Du musst also die ganze Zeit stark sein. Aber das war unmöglich.

Ist Ihr Album autobiografisch?
Es ist nicht 100-prozentig autobiografisch, aber es steckt jede Menge von mir drin. Ich habe mich definitiv verändert, besonders was meine Annäherung an Frauen betrifft.

Gab es einen Anlass?
Ja, ich war in Thailand und belegte einen Kurs, in dem die Göttlichkeit der Frauen gepriesen wurde. Da habe ich gelernt, den harten Typen in mir ziehen zu lassen. Jeder von uns hat eine männliche und weibliche Seite. Wir sollten sie zeigen.
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