Politiker vor Gericht
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Immer mehr Politiker stehen vor dem Kadi, im Oktober auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Bei einem Freispruch gibt es kaum Entschädigungen. Das soll sich ändern.
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Ein Blitzlicht-Gewitter ist Sebastian Kurz am 18. Oktober sicher. An diesem Tag soll der Prozess gegen ihn am Wiener Straflandesgericht beginnen. Vorerst drei Verhandlungstage sind anberaumt, 21 Zeugen sollen gehört werden.
Vorwurf der Falschaussage im U-Ausschuss
Dem früheren ÖVP-Kanzler wird vorgeworfen, als Auskunftsperson im Ibiza-Untersuchungsausschuss „insbesondere im Zusammenhang mit der Befragung zur Errichtung der ÖBAG und der Besetzung des Vorstandes und Aufsichtsrates dieser Gesellschaft falsch ausgesagt zu haben“, heißt es von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Im U-Ausschuss ging es um das Thema, wie sehr Kurz als Kanzler in die Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef involviert war. Kurz verneinte eine Einflussnahme. Etliche Monate später wurden Mobiltelefon-Chats zwischen Schmid und Kurz bekannt, die eine andere Sichtweise zu zeigen scheinen. „Kriegst eh alles, was du willst“, ist unter anderem in einer Textnachricht von Kurz an Schmid zu lesen.
Schmid war früher unter anderem Generalsekretär im ÖVP-geführten Finanzministerium. Die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) verwaltet die Beteiligungen des Staates an etlichen börsennotierten Unternehmen, wie etwa am Energiekonzern Verbund oder der OMV.
Sebastian Kurz bestreitet sämtliche Vorwürfe. Auf dem Kurznachrichtendienst X, früher bekannt als Twitter, schreibt der 37jährige Altkanzler von „30 entlastenden Zeugenaussagen“ und ist sicher: „Wie bereits viele Vorwürfe der WKStA wird sich auch dieser als falsch herausstellen.“
Das Strafmaß beträgt bis zu drei Jahre Haft. Entscheiden wird darüber ein Einzelrichter. Das ist üblich bei Delikten, die von einer Freiheitsstrafe zwischen ein und fünf Jahren bedroht sind. Darüber hinaus urteilen Schöffen- und Geschworenengerichte mit Laienrichtern.
Von der Art des Gerichtes hängt auch ab, wie hoch der Kostenersatz für Angeklagte bei einem Freispruch oder bei einer Einstellung des Verfahrens ist.
Höchstens 10.000 Euro vom Staat für Unschuldige
Anders als etwa in Deutschland gibt es bei uns keinen vollen Kostenersatz, wenn es zu keiner Verurteilung kommt. Bei einem Verfahren vor einem Einzelrichter muss der Staat dem Angeklagten höchstens 3.000 Euro Entschädigung für die Verteidigungskosten zahlen. Bei einem Geschworenengericht sind es höchstens 10.000 Euro.
Beides ist nur ein Bruchteil der tatsächlichen Kosten bei durchschnittlichen Anwalts-Stundensätzen von 300 Euro und mehr. Verfahrenshilfe vom Staat gibt es erst, wenn jemand tatsächlich das Leben für sich und seine Familie nicht mehr finanzieren kann.
Der Tierschützer Martin Balluch blieb nach seinem Freispruch auf hohen Kosten sitzen. Der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bat sogar um Spenden, um seine Verteidigung zu bezahlen. Experten fordern schon seit Jahren eine höhere Entschädigung für Unschuldige. „Bei Zivilprozessen bezahlt derjenige, der verliert, die ,zweckmäßigen und notwendigen‘ Anwaltskosten der Gegenseite, das wird vom Gericht bestimmt. Analog dazu sollte der Staat bei einem Freispruch oder wenn das Verfahren eingestellt wird, in Strafprozessen diese Anwaltskosten übernehmen“, sagt Bernhard Fink, der Vizepräsident der Österreichischen Rechtsanwaltskammer.
Die schwarz-grüne Regierung hat eine Erhöhung der Entschädigungen in ihrem Koalitionsprogramm festgeschrieben, um den „Zugang zur Justiz für alle Bürgerinnen und Bürger zu erleichtern“. Aber das Vorhaben stockte zuletzt, aus dem Büro von Justizministerin Alma Zadic von den Grünen war dazu keine Stellungnahme zu bekommen.
Der ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker meint hingegen: „Der Kostenersatz im Falle einer Einstellung oder eines Freispruches ist etwas, das längst überfällig ist, weil die Verteidigungskosten für viele Menschen existenzbedrohend sind. Ganz gleich, ob Politiker oder nicht.“
Sebastian Kurz ist zur Zeit nicht der einzige Politiker, der sich wegen verschiedener Vorwürfe vor Gericht verantworten muss. Der Prozess gegen die frühere Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) fand im Mai statt. Ein rechtskräftiges Urteil gibt es nicht, für sie gilt die Unschuldsvermutung.
Heinz-Christian Strache, der Vizekanzler der schwarz-blauen Regierung, hat bisher zwei bestätigte Freisprüche erreicht.
Kurz ist nicht der erste Ex-Kanzler vor dem Richter
Bei Sebastian Kurz könnte der Prozess jetzt im Oktober der Auftakt zu noch mehr juristischem Ungemach sein. Er ist jedoch nicht der erste Altkanzler, der wegen des Verdachtes der falschen Zeugenaussage vor dem Kadi steht.
Der frühere SPÖ-Chef Fred Sinowatz war wegen einer Bemerkung in einem Ehrenbeleidigungsprozess angeklagt. Er wurde 1991 wegen „falscher Beweisaussage“ zu einer Geldstrafe verurteilt.
Aber auch Ex-Minister und andere hochrangige Politiker „erwischte“ es. 1993 bestätigte das Oberlandesgericht Wien einen Schuldspruch gegen Leopold Gratz. Der ehemalige
SPÖ-Außenminister musste wegen falscher Zeugenaussage in der Lucona-Affäre eine Geldstrafe von 450.000 Schilling (32.703 Euro) zahlen. Zu sechs Monaten bedingter Haft wegen Falschaussage wurde im Jahr 2009 der einstige FPÖ- und BZÖ-Klubobmann Peter Westenthaler verurteilt.
Auf der Anklagebank
Karl-Heinz Grasser, 54
Der frühere Finanzminister (zuerst für die FPÖ, dann parteilos) wurde 2020 wegen Untreue, Beweismittelfälschung und Geschenkannahme zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, es gilt die Unschuldsvermutung. Grasser hat eine Nichtigkeitsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof (OGH) eingebracht. Sein Anwalt Norbert Wess rechnet „mit einem Urteil des OGH innerhalb der ersten Jahreshälfte 2024“.
Heinz-Christian Strache, 54
Gegen den ehemaligen FPÖ-Chef gab es in den vergangenen Jahren etliche Ermittlungen. Zwei Prozesse wegen des Vorwurfes der Bestechlichkeit endeten aber mit rechtskräftigen Freisprüchen für ihn. Einige Ermittlungsverfahren wurden zudem ohne Anklage eingestellt, andere laufen noch.
Ernst Strasser, 67
Britische Journalisten filmten 2010 das Angebot des ÖVP-EU-Abgeordneten mit, die EU-Gesetzgebung gegen Honorar zu beeinflussen. Im Jahr 2014 wurde der frühere Innenminister wegen Bestechlichkeit zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt.
Fred Sinowatz, 1929–2008
Der SPÖ-Politiker war von 1983 bis 1986 Bundeskanzler. Er wurde Anfang der 90er Jahre wegen falscher Zeugenaussage zu einer Geldstrafe von 360.000 Schilling (26.162 Euro) verurteilt. Es ging um die Frage, ob er 1985 in einer Sitzung gesagt hatte, dass man rechtzeitig auf die „braune Vergangenheit“ von Kurt Waldheim aufmerksam machen werde.
Vorwurf der Falschaussage im U-Ausschuss
Dem früheren ÖVP-Kanzler wird vorgeworfen, als Auskunftsperson im Ibiza-Untersuchungsausschuss „insbesondere im Zusammenhang mit der Befragung zur Errichtung der ÖBAG und der Besetzung des Vorstandes und Aufsichtsrates dieser Gesellschaft falsch ausgesagt zu haben“, heißt es von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Im U-Ausschuss ging es um das Thema, wie sehr Kurz als Kanzler in die Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef involviert war. Kurz verneinte eine Einflussnahme. Etliche Monate später wurden Mobiltelefon-Chats zwischen Schmid und Kurz bekannt, die eine andere Sichtweise zu zeigen scheinen. „Kriegst eh alles, was du willst“, ist unter anderem in einer Textnachricht von Kurz an Schmid zu lesen.
Schmid war früher unter anderem Generalsekretär im ÖVP-geführten Finanzministerium. Die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) verwaltet die Beteiligungen des Staates an etlichen börsennotierten Unternehmen, wie etwa am Energiekonzern Verbund oder der OMV.
Sebastian Kurz bestreitet sämtliche Vorwürfe. Auf dem Kurznachrichtendienst X, früher bekannt als Twitter, schreibt der 37jährige Altkanzler von „30 entlastenden Zeugenaussagen“ und ist sicher: „Wie bereits viele Vorwürfe der WKStA wird sich auch dieser als falsch herausstellen.“
Das Strafmaß beträgt bis zu drei Jahre Haft. Entscheiden wird darüber ein Einzelrichter. Das ist üblich bei Delikten, die von einer Freiheitsstrafe zwischen ein und fünf Jahren bedroht sind. Darüber hinaus urteilen Schöffen- und Geschworenengerichte mit Laienrichtern.
Von der Art des Gerichtes hängt auch ab, wie hoch der Kostenersatz für Angeklagte bei einem Freispruch oder bei einer Einstellung des Verfahrens ist.
Höchstens 10.000 Euro vom Staat für Unschuldige
Anders als etwa in Deutschland gibt es bei uns keinen vollen Kostenersatz, wenn es zu keiner Verurteilung kommt. Bei einem Verfahren vor einem Einzelrichter muss der Staat dem Angeklagten höchstens 3.000 Euro Entschädigung für die Verteidigungskosten zahlen. Bei einem Geschworenengericht sind es höchstens 10.000 Euro.
Beides ist nur ein Bruchteil der tatsächlichen Kosten bei durchschnittlichen Anwalts-Stundensätzen von 300 Euro und mehr. Verfahrenshilfe vom Staat gibt es erst, wenn jemand tatsächlich das Leben für sich und seine Familie nicht mehr finanzieren kann.
Der Tierschützer Martin Balluch blieb nach seinem Freispruch auf hohen Kosten sitzen. Der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bat sogar um Spenden, um seine Verteidigung zu bezahlen. Experten fordern schon seit Jahren eine höhere Entschädigung für Unschuldige. „Bei Zivilprozessen bezahlt derjenige, der verliert, die ,zweckmäßigen und notwendigen‘ Anwaltskosten der Gegenseite, das wird vom Gericht bestimmt. Analog dazu sollte der Staat bei einem Freispruch oder wenn das Verfahren eingestellt wird, in Strafprozessen diese Anwaltskosten übernehmen“, sagt Bernhard Fink, der Vizepräsident der Österreichischen Rechtsanwaltskammer.
Die schwarz-grüne Regierung hat eine Erhöhung der Entschädigungen in ihrem Koalitionsprogramm festgeschrieben, um den „Zugang zur Justiz für alle Bürgerinnen und Bürger zu erleichtern“. Aber das Vorhaben stockte zuletzt, aus dem Büro von Justizministerin Alma Zadic von den Grünen war dazu keine Stellungnahme zu bekommen.
Der ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker meint hingegen: „Der Kostenersatz im Falle einer Einstellung oder eines Freispruches ist etwas, das längst überfällig ist, weil die Verteidigungskosten für viele Menschen existenzbedrohend sind. Ganz gleich, ob Politiker oder nicht.“
Sebastian Kurz ist zur Zeit nicht der einzige Politiker, der sich wegen verschiedener Vorwürfe vor Gericht verantworten muss. Der Prozess gegen die frühere Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) fand im Mai statt. Ein rechtskräftiges Urteil gibt es nicht, für sie gilt die Unschuldsvermutung.
Heinz-Christian Strache, der Vizekanzler der schwarz-blauen Regierung, hat bisher zwei bestätigte Freisprüche erreicht.
Kurz ist nicht der erste Ex-Kanzler vor dem Richter
Bei Sebastian Kurz könnte der Prozess jetzt im Oktober der Auftakt zu noch mehr juristischem Ungemach sein. Er ist jedoch nicht der erste Altkanzler, der wegen des Verdachtes der falschen Zeugenaussage vor dem Kadi steht.
Der frühere SPÖ-Chef Fred Sinowatz war wegen einer Bemerkung in einem Ehrenbeleidigungsprozess angeklagt. Er wurde 1991 wegen „falscher Beweisaussage“ zu einer Geldstrafe verurteilt.
Aber auch Ex-Minister und andere hochrangige Politiker „erwischte“ es. 1993 bestätigte das Oberlandesgericht Wien einen Schuldspruch gegen Leopold Gratz. Der ehemalige
SPÖ-Außenminister musste wegen falscher Zeugenaussage in der Lucona-Affäre eine Geldstrafe von 450.000 Schilling (32.703 Euro) zahlen. Zu sechs Monaten bedingter Haft wegen Falschaussage wurde im Jahr 2009 der einstige FPÖ- und BZÖ-Klubobmann Peter Westenthaler verurteilt.
Auf der Anklagebank
Karl-Heinz Grasser, 54
Der frühere Finanzminister (zuerst für die FPÖ, dann parteilos) wurde 2020 wegen Untreue, Beweismittelfälschung und Geschenkannahme zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, es gilt die Unschuldsvermutung. Grasser hat eine Nichtigkeitsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof (OGH) eingebracht. Sein Anwalt Norbert Wess rechnet „mit einem Urteil des OGH innerhalb der ersten Jahreshälfte 2024“.
Heinz-Christian Strache, 54
Gegen den ehemaligen FPÖ-Chef gab es in den vergangenen Jahren etliche Ermittlungen. Zwei Prozesse wegen des Vorwurfes der Bestechlichkeit endeten aber mit rechtskräftigen Freisprüchen für ihn. Einige Ermittlungsverfahren wurden zudem ohne Anklage eingestellt, andere laufen noch.
Ernst Strasser, 67
Britische Journalisten filmten 2010 das Angebot des ÖVP-EU-Abgeordneten mit, die EU-Gesetzgebung gegen Honorar zu beeinflussen. Im Jahr 2014 wurde der frühere Innenminister wegen Bestechlichkeit zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt.
Fred Sinowatz, 1929–2008
Der SPÖ-Politiker war von 1983 bis 1986 Bundeskanzler. Er wurde Anfang der 90er Jahre wegen falscher Zeugenaussage zu einer Geldstrafe von 360.000 Schilling (26.162 Euro) verurteilt. Es ging um die Frage, ob er 1985 in einer Sitzung gesagt hatte, dass man rechtzeitig auf die „braune Vergangenheit“ von Kurt Waldheim aufmerksam machen werde.
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