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Ausgabe Nr. 20/2023 vom 15.05.2023, Foto: action press
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Die königlichen Kindermädchen
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Prominente und Königshäuser schwören auf Kindermädchen aus dem englischen Norland College. Die „Nanny“-Schule kann sich vor Bewerbungen kaum retten.
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Ein Kleid mit weißem Kragen, dazu ein braunes Hütchen und Handschuhe. Die Schülerinnen des Norland College erinnern ein wenig an das Kindermädchen Mary Poppins aus dem gleichnamigen „Walt Disney“-Streifen (1964). Doch hier wird kein Film gedreht. In der englischen Hochschule in Bath, rund drei Autostunden von London entfernt, werden Elite-Kindermädchen ausgebildet. Die Traditionsschule gibt es seit rund 130 Jahren. Auf ihrer Internetseite www.norland.ac.uk verspricht sie eine „große Karriere mit kleinen Menschen“, dazu eine „100 Prozent Beschäftigungsgarantie“.

Jahresgehälter von mehr als 100.000 Euro
Die Norland-Schulleiterin Dr. Janet Rose ist stolz auf ihre Einrichtung. „Unsere Mädchen sind gewissermaßen der Rolls-Royce unter den Kindermädchen.“ Vermittelt werden Absolventen über eine eigene Agentur. Frischgebackenen Norland-Nannys winken bis zu sechs Anstellungsangebote, mit Einstiegsgehältern von rund 3.000 Euro netto im Monat. Bei Anstellungen im fernen Ausland kann das Gehalt sogar auf mehr als das doppelte steigen.

Denn sogar saudische Ölscheichs schwören auf „Norland-Nannys“, ganz zu schweigen vom englischen Königshaus und von Prominenten. Unter ihnen gelten die Elite-Kindermädchen als Status-Symbol. Musiker wie Mick Jagger, 79, von den „Rolling Stones“, der Ex-„Beatle“ Paul McCartney, 80, und der Pop-Barde Sting, 71, haben ihren Sprösslingen schon ein Norland-Kindermädchen gegönnt.

Ein entsprechendes Griss herrscht um die Ausbildung. Jedes Jahr bewerben sich Hunderte junger Mädchen in Norland, aufgenommen werden nur 25. Die Kriterien sind hart. Erstklassige Schulnoten, wie sie auch für ein schweres Universitätsstudium gelten, werden vorausgesetzt. Kinderbetreuungskenntnisse sind nicht erforderlich, jedoch Humor und Verständnis für Kinder. Bewerben können sich Mädchen aus der ganzen Welt, Englisch-Kenntnisse müssen mit einem Diplom nachgewiesen werden.

Lächeln, gerade sitzen, keinen Kaugummi kauen
Wer es ans College schafft, hat eine dreijährige Ausbildung vor sich. Sie ist kein Honiglecken, zumal strenge Regeln gelten. Wenn die Uniform nicht gut sitzt, ist eine strenge Lehrerin sofort zur Stelle. Schminke ist erlaubt, muss aber dezent sein. Offene Haare, lange Ohrringe, schmutzige Fingernägel und sichtbare Piercings sind tabu. Genau wie Kaugummis, wenn die Mädchen bei öffentlichen Auftritten in Uniform sind. Gesessen wird kerzengerade, stets mit einem Lächeln im Gesicht. Der Unterricht findet meist an vier Tagen in der Woche statt. Auf dem Stundenplan stehen Waschen, Putzen, Kochen und Backen. Zudem, wie Kinder mit Puppen oder Schattenspielen unterhalten werden.

Außerdem gibt es Unterricht in Recht und Finanzmanagement. Schließlich sollen die Kindermädchen ihren gutbetuchten Auftraggebern einmal den Haushalt schupfen.

Antiterror-Programme
Doch wer glaubt, damit ist es getan, der irrt. Die Elite-Kindermädchen werden auch auf moderne Bedrohungen geschult. Dazu gehört nicht nur, Kinder vor Paparazzi abzuschirmen, sondern auch Entführer in die Flucht zu schlagen beziehungsweise abzuschütteln. In Antiterror-Programmen gibt es Kampfsportübungen und Fahrsicherheitstrainings. In England genießen die Nannys deswegen auch den Ruf, eine Mischung aus Mary Poppins und James Bond zu sein.

Dass Norland eine Eliteschule ist, verdeutlichen auch die Studiengebühren. Rund 16.000 Euro kostet die dreijährige Ausbildung pro Jahr. Das macht in Summe knapp 50.000 Euro. Nicht eingerechnet sind Kost und Logis in einer Wohngemeinschaft. Da schrecken auch rund 1.200 Euro für die Norland-Uniform nicht mehr ab, sowie diverse andere Kosten, etwa für Sprachkurse.

Gegründet wurde das Norland-Institut 1892 von der Volksschullehrerin Emily Ward († 1930). Sie wollte damals schon Exklusivität vermitteln und riet ihren Schülerinnen, „Lege deine silberne Bürste auf die Kommode deiner Gastfamilie, damit du nicht mit dem normalen Hauspersonal verwechselt wirst.“

Ihre Uniformen tragen die Absolventinnen bis heute mit Stolz. „Einmal Norland-Nanny, immer Norland-Nanny“, heißt es in dem Elite-College. Die Absolventen sehen sich bei regelmäßigen Treffen und geben sich Tipps, um noch bessere „Nannys“ zu werden. Mittlerweile mischen sich unter diese auch einige „Mannys“, also männliche Kindermädchen. Ihre Zahl ist unter den rund 300 Norland-Schülerinnen aber verschwindend gering.

Einer, der die Ausbildung absolviert hat, ist der heute 43jährige Matthew. Er ist überzeugt. „Norland ist eine Investition in sich selbst. Jeder, der das College in Betracht zieht, sollte sicher sein, dass er genau das tun möchte.
Die Arbeit mit kleinen Kindern kann äußerst lohnend sein, aber man muss es wirklich wollen.“ Für wen Matthew heute arbeitet, verrät er nicht. Denn Verschwiegenheit hat oberste Priorität.

Strenge Nanny für Prinz George
Eine „Norland-Nanny“ ist jedenfalls eine wahre Berühmtheit geworden. Gemeint ist die gebürtige Spanierin Maria Teresa Turrion Borrallo. Sie wurde von Prinz William, 40, und seiner Kate, 41, für ihren Sprössling George, 9, engagiert. Mittlerweile kümmert sie sich auch um dessen Geschwister Charlotte, 8, und Louis, 5.

Das königliche Kindermädchen lebt im Kensington Palast und ist auch bei Familienurlauben mit dabei. Ein Palast-Angestellter packte vor Jahren aus, dass die Nanny, die für ihren markanten Stechschritt bekannt ist, „sehr bestimmt und streng sein kann, aber auch sehr liebevoll und weich.“
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