Ausgabe Nr. 18/2023 vom 02.05.2023, Fotos: mpix-foto - stock.adobe.com, Quelle Grafik: Dufek 2023, FSV 2022, VSC 2014, Grafik VCÖ 2023, Lizenz CC BY-ND
Immer mehr Gemeinden für Tempo-Reduzierung
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Fast zwei Drittel aller Verkehrsunfälle in unserem Land passieren im Ortsgebiet. Im Jahr 2022 kamen dabei 109 Menschen ums Leben. Der VCÖ fordert nun eine Reform der Straßenverkehrsordnung, um Gemeinden die Umsetzung von „Tempo 30“ zu erleichtern. Doch auch Eigenverantwortung tut not.
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Tempo runter im Ortsgebiet fordern viele Städte und Gemeinden in unserem Land und sprechen sich für ein Herabsetzen der Geschwindigkeit von 50 auf 30 Stundenkilometer aus. Bei Landstraßen, die durchs Ortsgebiet führen, sind den Bürgermeistern aber die Hände gebunden, denn das Tempo wird von der Straßenverkehrsordnung (StVO) vorgegeben.
Der Verein „VCÖ – Mobilität mit Zukunft“ fordert deshalb eine Reform der StVO, die es den Gemeinden ermöglichen soll, überall dort, wo es aus Gründen der Verkehrssicherheit oder der Aufenthaltsqualität nötig ist, Tempo 30 zu etablieren. „Das ist eine Maßnahme, die viele Unfälle verhindern kann“, meint dazu VCÖ-Sprecher Mag. Christian Gratzer.
Weniger Tempo, mehr Lebensqualität
Mehr als 120 Bürgermeister aller Parteifarben und Bundesländer unterstützen die VCÖ-Initiative bereits. Darunter auch die Grazer Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne). Die steirische Landeshauptstadt ist einer der Vorreiter auf dem Gebiet der Temporeduktion. Hier wird bereits seit dem Jahr 1992 „auf die Bremse getreten“. Und bis zum Sommer kommen gleich 15 neue „Tempo 30“-Straßen dazu. Für Schwentner ist das nicht nur ein Beitrag zu „mehr Verkehrssicherheit für alle Menschen in Graz“, sondern auch eine effektive Maßnahme zum Klimaschutz.
Auch auf die Lebensqualität hat die Reduzierung des Tempos positive Auswirkungen. „Tempo 30 statt 50 im Ortsgebiet wird hinsichtlich des Verkehrslärms wie eine Halbierung der Verkehrsmenge wahrgenommen“, verdeutlicht die VCÖ-Expertin Lina Mosshammer. In der aktuellen Straßenverkehrsordnung können aber Kriterien in Bezug auf Klimaschutz oder Lebensqualität nicht als Begründung für Tempo 30 geltend gemacht werden. „Dazu braucht es ein Gutachten inklusive Erhebung von Verkehrsdaten und Gefahrenmomenten“, bestätigen die VCÖ-Experten.
Laut Statistik Austria gab es im Vorjahr 22.551 Unfälle im Ortsgebiet mit insgesamt 26.550 Verletzten. Doch meist ist nicht zu hohe Geschwindigkeit die Ursache. Denn 20.431 dieser Verkehrsunfälle sind auf ein Fehlverhalten der beteiligten Personen zurückzuführen. So passieren rund ein Drittel aller Unfälle innerorts aufgrund einer Vorrangverletzung, auch gegenüber Fußgängern, oder einer Rotlichtmissachtung. Weitere Gründe sind Unachtsamkeit, Ablenkung oder mangelnder Sicherheitsabstand. Das Fehlverhalten von Fußgängern, wie Schutzwege nicht zu nutzen, ist an vier Prozent der Verkehrsunfälle (893) schuld. Bei den 106 tödlichen Unfällen im Ortsgebiet (gesamt 109 Tote), wurden 13 Fußgänger Opfer ihres Fehlverhaltens. Bei allen Unfallursachen könne Temporeduktion zur Vermeidung beitragen, glaubt jedoch Gratzer.
Äußerst gefährdet sind „E-Scooter“-Fahrer. Im Vorjahr wurden 3.600 von ihnen bei Unfällen verletzt. „75 Prozent der Unfälle sind aber von den ,E-Scooter‘-Fahrern selbst verschuldet“, weiß Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter der Verkehrssicherheitsforschung im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV). Kaum einer der E-Roller-Benützer (98 %) blinkt oder gibt Handzeichen beim Abbiegen, 15 Prozent fahren trotz Verbot auf Gehsteigen und jeder achte fährt bei Rot über die Ampel, ergab eine KFV-Auswertung.
Ältere sind im Ortsgebiet besonders gefährdet
„Im Ortsgebiet, dort, wo Menschen unterwegs sind, passieren Fehler. Es geht darum, ein Verkehrssystem fehlertolerant zu machen. In Schweden etwa gilt seit gut 30 Jahren das oberste Prinzip, ,Ein Fehler eines Verkehrsteilnehmers darf keine fatalen Folgen haben.‘“ Eine Verkehrsplanung könne Maßnahmen setzen, dass Fehler eben nicht fatal enden. Und das Tempo spiele einfach aufgrund physikalischer Gesetze eine große Rolle, betont Gratzer.
Bei den Fußgängerunfällen im Ortsgebiet fällt auf, dass besonders häufig Senioren schwer oder sogar tödlich verletzt werden. „Sie brauchen oft länger, etwa um eine Straße zu überqueren. Und die Anzahl älterer Menschen wird in den kommenden Jahren stark steigen“, erklärt Gratzer. Nicht alle davon seien gesund und fit. „Wenn Sie beispielsweise eine ältere Person mit einer beginnenden Demenzerkrankung hernehmen, dann weiß der Fahrzeuglenker ja nicht, dass diese Person dement ist.“ Folglich könne er nicht wissen, dass der Vertrauensgrundsatz (wonach jeder Straßenbenützer darauf vertrauen darf, dass die anderen Verkehrsteilnehmer alle für die Benützung der Straße geltenden Rechtsvorschriften kennen) hier nicht greift. „Wenn der ältere Mensch nun plötzlich die Straße betritt, hat der Autofahrer bei Tempo 30 eine deutlich höhere Möglichkeit, rechtzeitig stehenzubleiben als etwa bei 50 Stundenkilometern“, erklärt Gratzer.
Das bestätigt auch der KFV-Experte. „Bei 30 Stundenkilometern beträgt der Anhalteweg (Reaktionsweg plus Bremsweg) etwa elf bis zwölf Meter. Wenn Sie aber mit Tempo 50 unterwegs sind, ist der Anhalteweg gut doppelt so lang.“ Total unterschätzt werde auch die periphere Wahrnehmung. „Bei einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern haben Sie den Blickpunkt 15 Meter vor der Stoßstange und können wahrnehmen, was links und rechts passiert. Bei Tempo 50 sind es hingegen 40 Meter“, erklärt Robatsch.
Fußgänger mahnt der KFV-Experte generell zur Vorsicht. „Leider haben wir alleine 1.000 Unfälle jährlich bei Schutzwegen, weil die Sichtweiten nicht passen.“ Es sei besser, sich nicht blind darauf zu verlassen, dass der Autofahrer stehenbleibt. „Blickkontakt beim Schutzweg aufzunehmen, ist immer sinnvoll.“ Tempo 30 im Ortsgebiet sei auf jeden Fall ein wichtiger Schritt für mehr Sicherheit. Sollte dennoch ein Unfall passieren, endet er mit hoher Wahrscheinlichkeit glimpflich und ohne Todesfolge, sind sich die Experten einig.
Der Verein „VCÖ – Mobilität mit Zukunft“ fordert deshalb eine Reform der StVO, die es den Gemeinden ermöglichen soll, überall dort, wo es aus Gründen der Verkehrssicherheit oder der Aufenthaltsqualität nötig ist, Tempo 30 zu etablieren. „Das ist eine Maßnahme, die viele Unfälle verhindern kann“, meint dazu VCÖ-Sprecher Mag. Christian Gratzer.
Weniger Tempo, mehr Lebensqualität
Mehr als 120 Bürgermeister aller Parteifarben und Bundesländer unterstützen die VCÖ-Initiative bereits. Darunter auch die Grazer Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne). Die steirische Landeshauptstadt ist einer der Vorreiter auf dem Gebiet der Temporeduktion. Hier wird bereits seit dem Jahr 1992 „auf die Bremse getreten“. Und bis zum Sommer kommen gleich 15 neue „Tempo 30“-Straßen dazu. Für Schwentner ist das nicht nur ein Beitrag zu „mehr Verkehrssicherheit für alle Menschen in Graz“, sondern auch eine effektive Maßnahme zum Klimaschutz.
Auch auf die Lebensqualität hat die Reduzierung des Tempos positive Auswirkungen. „Tempo 30 statt 50 im Ortsgebiet wird hinsichtlich des Verkehrslärms wie eine Halbierung der Verkehrsmenge wahrgenommen“, verdeutlicht die VCÖ-Expertin Lina Mosshammer. In der aktuellen Straßenverkehrsordnung können aber Kriterien in Bezug auf Klimaschutz oder Lebensqualität nicht als Begründung für Tempo 30 geltend gemacht werden. „Dazu braucht es ein Gutachten inklusive Erhebung von Verkehrsdaten und Gefahrenmomenten“, bestätigen die VCÖ-Experten.
Laut Statistik Austria gab es im Vorjahr 22.551 Unfälle im Ortsgebiet mit insgesamt 26.550 Verletzten. Doch meist ist nicht zu hohe Geschwindigkeit die Ursache. Denn 20.431 dieser Verkehrsunfälle sind auf ein Fehlverhalten der beteiligten Personen zurückzuführen. So passieren rund ein Drittel aller Unfälle innerorts aufgrund einer Vorrangverletzung, auch gegenüber Fußgängern, oder einer Rotlichtmissachtung. Weitere Gründe sind Unachtsamkeit, Ablenkung oder mangelnder Sicherheitsabstand. Das Fehlverhalten von Fußgängern, wie Schutzwege nicht zu nutzen, ist an vier Prozent der Verkehrsunfälle (893) schuld. Bei den 106 tödlichen Unfällen im Ortsgebiet (gesamt 109 Tote), wurden 13 Fußgänger Opfer ihres Fehlverhaltens. Bei allen Unfallursachen könne Temporeduktion zur Vermeidung beitragen, glaubt jedoch Gratzer.
Äußerst gefährdet sind „E-Scooter“-Fahrer. Im Vorjahr wurden 3.600 von ihnen bei Unfällen verletzt. „75 Prozent der Unfälle sind aber von den ,E-Scooter‘-Fahrern selbst verschuldet“, weiß Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter der Verkehrssicherheitsforschung im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV). Kaum einer der E-Roller-Benützer (98 %) blinkt oder gibt Handzeichen beim Abbiegen, 15 Prozent fahren trotz Verbot auf Gehsteigen und jeder achte fährt bei Rot über die Ampel, ergab eine KFV-Auswertung.
Ältere sind im Ortsgebiet besonders gefährdet
„Im Ortsgebiet, dort, wo Menschen unterwegs sind, passieren Fehler. Es geht darum, ein Verkehrssystem fehlertolerant zu machen. In Schweden etwa gilt seit gut 30 Jahren das oberste Prinzip, ,Ein Fehler eines Verkehrsteilnehmers darf keine fatalen Folgen haben.‘“ Eine Verkehrsplanung könne Maßnahmen setzen, dass Fehler eben nicht fatal enden. Und das Tempo spiele einfach aufgrund physikalischer Gesetze eine große Rolle, betont Gratzer.
Bei den Fußgängerunfällen im Ortsgebiet fällt auf, dass besonders häufig Senioren schwer oder sogar tödlich verletzt werden. „Sie brauchen oft länger, etwa um eine Straße zu überqueren. Und die Anzahl älterer Menschen wird in den kommenden Jahren stark steigen“, erklärt Gratzer. Nicht alle davon seien gesund und fit. „Wenn Sie beispielsweise eine ältere Person mit einer beginnenden Demenzerkrankung hernehmen, dann weiß der Fahrzeuglenker ja nicht, dass diese Person dement ist.“ Folglich könne er nicht wissen, dass der Vertrauensgrundsatz (wonach jeder Straßenbenützer darauf vertrauen darf, dass die anderen Verkehrsteilnehmer alle für die Benützung der Straße geltenden Rechtsvorschriften kennen) hier nicht greift. „Wenn der ältere Mensch nun plötzlich die Straße betritt, hat der Autofahrer bei Tempo 30 eine deutlich höhere Möglichkeit, rechtzeitig stehenzubleiben als etwa bei 50 Stundenkilometern“, erklärt Gratzer.
Das bestätigt auch der KFV-Experte. „Bei 30 Stundenkilometern beträgt der Anhalteweg (Reaktionsweg plus Bremsweg) etwa elf bis zwölf Meter. Wenn Sie aber mit Tempo 50 unterwegs sind, ist der Anhalteweg gut doppelt so lang.“ Total unterschätzt werde auch die periphere Wahrnehmung. „Bei einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern haben Sie den Blickpunkt 15 Meter vor der Stoßstange und können wahrnehmen, was links und rechts passiert. Bei Tempo 50 sind es hingegen 40 Meter“, erklärt Robatsch.
Fußgänger mahnt der KFV-Experte generell zur Vorsicht. „Leider haben wir alleine 1.000 Unfälle jährlich bei Schutzwegen, weil die Sichtweiten nicht passen.“ Es sei besser, sich nicht blind darauf zu verlassen, dass der Autofahrer stehenbleibt. „Blickkontakt beim Schutzweg aufzunehmen, ist immer sinnvoll.“ Tempo 30 im Ortsgebiet sei auf jeden Fall ein wichtiger Schritt für mehr Sicherheit. Sollte dennoch ein Unfall passieren, endet er mit hoher Wahrscheinlichkeit glimpflich und ohne Todesfolge, sind sich die Experten einig.
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