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Ausgabe Nr. 18/2023 vom 02.05.2023, Foto: Visnjic, Agency People Image, Michael Mazohl
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Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil, Andreas Babler
Der Kampf um die SPÖ-Spitze
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Die Mitgliederbefragung der SPÖ dauert noch bis 10. Mai. Eine gemeinsame Anhörung oder Diskussion der drei Kandidaten für die Parteispitze gibt es nicht. Die WOCHE hat ihnen deswegen sechs Fragen gestellt.
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Drei Landtagswahlen gab es heuer, drei Mal hat die SPÖ dabei Wählerstimmen verloren. Die Krisen der vergangenen Jahre und die Unzufriedenheit mit der schwarz-grünen Regierung haben den Sozialdemokraten nicht zu mehr Zuspruch verholfen. Während die FPÖ im Höhenflug ist, strudeln sich die Roten mit Diskussionen über die Führungsspitze ab. Das soll bald der Vergangenheit angehören.

Bis 10. Mai können die 148.000 Genossen noch ihren Favoriten für den Parteivorsitz ankreuzen. Gefragt wird auch, wer Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl sein soll. Neben Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil und Andreas Babler gibt es ein viertes Feld zum Ankreuzen. Wer mit den angebotenen Kandidaten unzufrieden ist, kann „keine*n der genannten Bewerber*innen“ auswählen. Manche sehen darin durchaus den Versuch, die Mitgliederbefragung zu torpedieren.

Bindend ist die Abstimmung nicht, sondern ein „Stimmungsbild“ laut Parteistrategen. Das Ergebnis dieser „Genossen-Gemütslage“, die per Post oder online in der Parteizentrale eintrifft, wird am 22. Mai bekanntgegeben. Damit können die SPÖ-Granden aber noch keinen Schlussstrich unter die monatelangen Partei-Querelen ziehen. Denn endgültig geklärt wird das Rennen um die Parteispitze erst beim Parteitag am 3. Juni in Linz. Dort könnte es je nach Befragungs-Ergebnis noch zu einer Stichwahl kommen oder es taucht ein Überraschungskandidat auf.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner will bei einer Niederlage „eher die Politik verlassen“. Sie hat im SPÖ-Machtkampf die Unterstützung der früheren SPÖ-Kanzler Vranitzky, Klima, Gusenbauer und Faymann. Auch Ex-Bundespräsident Heinz Fischer stärkt ihr den Rücken.

Hans Peter Doskozil würde der Bundespolitik den Rücken kehren und Landeshauptmann im Burgenland bleiben, wenn er nicht die Mehrheit bekommt. Dass seine angeschlagene Stimme ein Hindernis in einem Nationalratswahlkampf wäre, denkt er nicht. „Die Menschen haben sich daran gewöhnt, akzeptieren das auch“, sagte er kürzlich. „Viele Menschen haben Beeinträchtigungen, stehen auch im Berufsleben und müssen damit umgehen. Und so halte ich es auch.“ Doskozil leidet an einer seltenen Erkrankung der Knorpelstruktur des Kehlkopfgerüstes und hat schon mehrere Operationen hinter sich.

Der burgenländische Landeschef hat nur einen Ex-Kanzler in seinem Lager. Christian Kern will Blau-Schwarz verhindern: „Ich meine, dass die SPÖ mit Hans Peter Doskozil die besten Chancen hat, dieses Ziel zu erreichen.“ Aber er halte es auch „für wichtig, Andreas Babler und seine Unterstützerinnen und Unterstützer an wichtiger Stelle in dieses neue Team zu integrieren“.

„Wenn wir zusammenhalten, sind wir nicht zu schlagen“
Pamela Rendi-Wagner, 51, ist seit 2018 SPÖ-Chefin. Die Ärztin ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Warum sind Sie die bessere oder beste Parteichefin?
Weil auf mich Verlass ist auch in schwierigen Zeiten und weil Respekt und Solidarität wichtige Werte für mich sind. Ich habe den Parteivorsitz vor mehr als vier Jahren übernommen, in einer Zeit, die nicht einfach war. Trotzdem habe ich Mut zur Verantwortung bewiesen und bin seither mit Herzblut und Leidenschaft Vorsitzende dieser großen Bewegung.

Kann die SPÖ wieder zur stärksten Partei werden und wie?
Ja. Die SPÖ soll nach der nächsten Nationalratswahl auf Platz eins stehen. Mein Ziel ist, dass Österreich wieder eine sozialdemokratische Führung hat, damit wir für die Vielen in unserem Land eine starke Kraft sein können.
Dass das möglich ist, haben wir letztes Jahr gesehen, als unsere Partei in den Umfragen auf mehr als 30 Prozent und damit klar auf Platz eins lag. Das war allerdings auch eine Zeit, in der es keine Querschüsse gab. Das zeigt, welches Potenzial die Sozialdemokratie hat, wenn wir zusammenhalten und uns auf unsere Kernthemen – leistbares Leben, sichere Pensionen, Bildung und Gesundheit – konzentrieren. Wenn wir eine konsequente soziale Politik machen und zusammenhalten, dann sind wir nicht zu schlagen.

Welche Maßnahmen würden Sie zur Inflations-Bekämpfung ergreifen?
Die SPÖ hat vor mehr als eineinhalb Jahren als erste Partei erkannt, wie gefährlich die steigende Inflation ist. Ich habe seitdem viele wirksame Vorschläge auf den Tisch gelegt, um die Preise dauerhaft zu senken und damit auch die Inflation zu dämpfen. Dazu gehören ein Mietpreisstopp bis 2025, ein nationaler Gaspreisdeckel und die Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Denn Einmalzahlungen verpuffen schnell und senken keinen einzigen Preis.

Werden bei abgelehnten Asylanträgen die falschen Menschen abgeschoben?
Humanität und Kontrolle müssen 2023 die zentralen Grundsätze einer Asyl- und Migrationspolitik in Österreich sein. Wenn gut integrierte Schulkinder oder fleißige Lehrlinge abgeschoben werden, aber Kriminelle nicht, dann fehlt mir jedes Verständnis. Das muss sich ändern.

Ist für Sie eine Koalition mit der FPÖ möglich? Wie steht es um eine Koalition mit der ÖVP?
Fest steht: Die FPÖ kommt für mich als Partner in einer Regierung nicht in Frage. Denn eines muss für die Sozialdemokratie immer unverrückbar bleiben: Dass wir uns einer menschenverachtenden, hetzerischen und die Gesellschaft spaltenden Ideologie, wie sie die FPÖ als Ganzes vertritt, immer mit aller Kraft entgegenstellen. Die SPÖ nach rechts zu rücken, wäre der völlig falsche Weg.
Die Frage nach möglichen Koalitionspartnern stellt sich nach einer Nationalratswahl. Zuerst sind die Wähler am Wort, danach muss man ins Gespräch kommen, um über Inhalte und Ziele zu sprechen.

Gibt es einen SPÖ-Politiker, den Sie als Vorbild sehen (außer Bruno Kreisky)?
Das Visionäre von Bruno Kreisky und das Kämpferische von Johanna Dohnal.

„Endlich wieder um die Menschen kümmern“
Hans Peter Doskozil, 52, ist seit 2019 Landeshauptmann im Burgenland. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder aus erster Ehe.

Warum sind Sie der bessere oder beste Parteichef?
Keine Person ist wichtiger als die Partei, aber mir geht es darum, dass die SPÖ wieder Wahlen gewinnt und in weiterer Folge den Kanzler stellt. Wenn uns das nicht gelingt, droht Blau-Schwarz unter der Führung von Herbert Kickl.

Kann die SPÖ wieder zur stärksten Partei werden und wie?
Um eine schwarz-blaue Koalition zu verhindern – und um die SPÖ wieder zur stärksten Partei zu machen –, müssen wir uns endlich wieder um die Menschen kümmern. Teuerung, Pflegenotstand, Zwei-Klassen-Medizin, Energiekrise, all das belastet die Österreicherinnen und Österreicher. Wir haben die richtigen Antworten auf die Herausforderungen dieser Zeit. Österreich braucht eine starke SPÖ mehr denn je, und ja, wir können liefern.

Welche Maßnahmen würden Sie zur Inflations-Bekämpfung ergreifen?
Österreich ist spät dran, andere Länder haben längst in den Markt eingegriffen und die Inflation damit nachhaltig gesenkt. Im Burgenland haben wir rasch reagiert und etwa einen treffsicheren, sozial gestaffelten Wärmepreisdeckel umgesetzt, der Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen hilft, die enorm gestiegenen Heizkosten zu bewältigen.
Gerade in der Teuerung sind aber die Spielräume als Bundesland begrenzt, es braucht daher bundesweite Lösungen. Steuerpolitische Maßnahmen zum Beispiel sind längst überfällig. Ich würde die Steuerlast fair verteilen. Ich bin für Steuern auf hohe Vermögen.

Werden bei abgelehnten Asylanträgen die falschen Menschen abgeschoben?
Ich denke an die indische Familie, die kürzlich abgeschoben wurde. Menschen, die ihren Beitrag leisten, tun mir persönlich leid, wenn sie abgeschoben werden, gleichzeitig zeigt das aus meiner Sicht auch das fehlerhafte System auf. Sind Asylanträge bereits abgelehnt, muss jedenfalls das Gesetz eingehalten und müssen fremdenrechtliche Entscheidungen vollzogen werden. Die Einhaltung der Gesetze ist in einem Rechtsstaat wie Österreich enorm wichtig, das habe ich schon im SPÖ-Integrationspapier gemeinsam mit Peter Kaiser so definiert, ebenso die Forderung nach Asyl-Aufnahmezentren an den EU-Außengrenzen.
Heute muss mehr denn je zwischen Asyl und Migration unterschieden werden, denn wir brauchen in vielen Branchen qualifizierte Zuwanderung, siehe den Sektor Pflege.

Ist für Sie eine Koalition mit der FPÖ möglich? Wie steht es um eine Koalition mit der ÖVP?
Eine Koalition mit der Kickl-FPÖ ist undenkbar für mich. Ich möchte aber auch keine Koalition mit der ÖVP, der die Erfahrung der Opposition sehr guttun würde. Mein Ziel ist eine Dreierkoalition mit den Grünen und Neos.

Gibt es einen SPÖ-Politiker, den Sie als Vorbild sehen (außer Bruno Kreisky)?
Ich habe erst kürzlich wieder an Sabine Oberhauser gedacht. Ich spreche ungern von „Vorbildern“, lieber von positiven Beispielen, und sie ist ein sehr gutes Beispiel, wie sozialdemokratische Politik geht. Sie war eine Politikerin von Format: fleißig, korrekt und sie hatte Handschlagqualität. Das Gleiche gilt für Rudi Hundstorfer.

„Gräben überwinden, stärker auf Basis hören“
Andreas Babler, 50, ist seit 2014 Bürgermeister von Traiskirchen (NÖ). Er ist verheiratet und hat eine Tochter.

Warum sind Sie der bessere oder beste Parteichef?
Ich habe mich entschlossen zu kandidieren, weil ich die SPÖ einen und öffnen möchte: Mein Team möchte so viele Menschen wie möglich einladen, Teil der Sozialdemokratie zu werden und sich einzubringen.
Und wir wollen die Konflikte der letzten Jahre beenden. „Gemeinsam“ heißt für mich einerseits, alte Gräben zu überwinden, aber auch, stärker auf unsere Basis zu hören, auf ihre Erfahrungen und Ideen, und sich Positionen nicht von Spindoktoren vorgeben zu lassen.

Kann die SPÖ wieder zur stärksten Partei werden und wie?
Das Potenzial der SPÖ liegt weit über 30 Prozent. Wir vertreten die arbeitenden Menschen und die Pensionistinnen und Pensionisten im Land, das ist die Mehrheit der Bevölkerung. Dass wir etwas dagegen tun müssen, dass Konzerne in Zeiten der Teuerung ihre Profite maximieren, während andere nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen, dafür gibt es deutliche Mehrheiten.

Welche Maßnahmen würden Sie zur Inflations-Bekämpfung ergreifen?
Seit der Corona-Krise pumpt die Regierung Milliarden an Steuergeld in große Unternehmen, aber wir anderen werden mit Almosen abgespeist. Dass die Mieten jetzt zum vierten Mal in zwei Jahren gestiegen sind, ist ein Skandal. Im Energiesektor weigert sich die Regierung seit Monaten, wirksame Preisgrenzen festzusetzen. Das wäre aber notwendig. Wie auch die Übergewinne der Energiekonzerne zu besteuern und an die Stromkunden zurückzugeben.

Werden bei abgelehnten Asylanträgen die falschen Menschen abgeschoben?
Wenn Menschen abgeschoben werden, die seit Jahren in Österreich leben, hier in der Nachbarschaft oder in Vereinen engagiert sind und in Branchen wie der Gastronomie arbeiten, dann läuft doch etwas Grundlegendes falsch. Grundsätzlich bin ich hier für einen pragmatischen Zugang.
Der Asylbereich ist aber ein kleiner Bereich, die Arbeitsmigration ein größerer: Wir werden Menschen aus anderen Ländern brauchen, die in Österreich arbeiten. Natürlich muss es immer klare Regeln geben, sodass es zu keinem Lohn- und Sozialdumping kommt.

Ist für Sie eine Koalition mit der FPÖ möglich? Wie steht es um eine Koalition mit der ÖVP?
Meine Priorität ist es, einen Kanzler Kickl zu verhindern. Eine Koalition mit der FPÖ schließe ich aus, jede Regierungsbeteiligung der FPÖ endete in einer Staatskrise.
Die Volkspartei muss sich wieder koalitionsfähig machen. Dort hat es eine ziemliche Radikalisierung in der Rhetorik und Politik gegen arbeitende Menschen und ärmere Menschen gegeben.

Gibt es einen SPÖ-Politiker, den Sie als Vorbild sehen (außer Bruno Kreisky)?
Gleich drei: Victor Adler, der die Sozialdemokratie geeint und zu einer Partei der Vielen gemacht hat. Johanna Dohnal, die mit ihrer kämpferischen Haltung oft angefeindet wurde, aber viel für die Frauen durchgesetzt hat. Und Rudi Edlinger, ein kluger Menschenfreund und der bislang letzte Arbeiter in einer Bundesregierung.
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