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Ausgabe Nr. 11/2023 vom 14.03.2023, Fotos: fizkes - stock.adobe.com, POD Gladiator
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Den Tinnitus einfach wegtrainieren
Tinnitus ist keine Krankheit, er ist ein Hinweis auf eine Störung im Hörsystem. Das klingt harmlos, ist es aber nicht, denn die Geräusche im Ohr und Kopf können stark belastend sein. Die medizinisch geprüfte App „Kalmeda“ will Betroffenen helfen, den Tinnitus gezielt zu ignorieren.
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Es ist ständig da, das Pfeifen, Pochen, Klingeln, Klopfen, Sirren, Summen oder Brummen. Wer betroffen ist, wünscht sich nur eines, der Dauerton im Ohr möge aufhören. Für jeden Zehnten unter der Million Betroffenen in unserem Land ist Tinnitus eine Qual. Er ist laut, hartnäckig und so lästig, dass er den Alltag schwer belastet, die Nachtruhe stört.

Tinnitus wird von keiner äußeren Schallquelle verursacht. Es ist ein Ohr- oder ein Kopfgeräusch, kann einseitig als auch auf beiden Ohren auftreten. Die Lautstärke wird von Mensch zu Mensch zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich empfunden. Vom Säuseln bis hin zum Dröhnen von Düsenjets.

Die Einstellung ändern
Wird der Leidensdruck zu stark, suchen Betroffene meist einen HNO-Arzt auf. Dr. Johannes Schobel, HNO-Facharzt in St. Pölten (NÖ) und Tinnitus-Spezialist, hat in den vergangenen Jahren mehr als dreitausend Patienten betreut. „Tinnitus hat organische und psychische Ursachen“, erklärt Dr. Schobel.

Begleiterkrankung lassen sich medikamentös therapieren, für chronischen Tinnitus stehen bisher aber keine zufriedenstellenden Therapien zur Verfügung.
Ein vielversprechender Ansatz, der vielen Geplagten hilft, ist die kognitive Verhaltenstherapie. Dabei werden sich Patienten über ihre Gedanken, Einstellungen und Erwartungen klar. Das Ziel ist, falsche und belastende Überzeugungen zu erkennen und zu verändern. Es ist die „Hilfe zur Selbsthilfe“, die mit der Unterstützung eines Psychotherapeuten erlernt wird. „Die kognitive Verhaltenstherapie hilft bei Tinnitus“, versichert Dr. Schobel.

Wer dafür keinen Psychologen aufsuchen kann oder will, der kann mit Hilfe einer neuen App (= herunterladbares Programm für das Smartphone) lernen, dem störenden Dauergeräusch Herr zu werden. HNO-Ärzte und Psychologen haben in Zusammenarbeit die Tinnitus-App „Kalmeda“ entwickelt. „Es handelt sich nicht einfach um eine Wellness- oder Gesundheits-App. Sie ist eine digitale Gesundheitsanwendung, die als Medizinprodukt hohe Anforderungen an Qualität und Datensicherheit erfüllt. Sie bietet eine wissenschaftlich basierte Therapie, ist zertifiziert und musste den Nutzen durch klinische Studien nachweisen“, erklärt Kalmeda-Gründer und HNO-Facharzt Dr. Uso Walter. „Die App ergänzt die Behandlung des HNO-Arztes. Kalmeda fängt da an, wo der Arzt aufhört.“

Das Gehirn blendet aus
Neun bis zwölf Monate dauert die Therapie, nach dreimonatiger Anwendung soll es zu einer signifikanten Verringerung der Tinnitusbelastung kommen. „Kalmeda hilft, die Störgeräusche im Unterbewusstsein nicht mehr wichtig zu nehmen. So kann das Gehirn diese Geräusche, ähnlich wie Atemgeräusche oder Herzschläge, ausblenden“, erklärt der Facharzt.

Aufgebaut ist die Therapie in fünf Stufen mit je neun Etappen. In einem ersten Schritt wird die Tinnitus-App auf dem Smartphone installiert und ein Nutzerkonto erstellt. Anschließend werden mit Hilfe eines kurzen Fragebogens Details zum persönlichen Beschwerdebild sowie die Intensität des Tinnitus, Intervall, Art des Geräusches und Auslöser abgefragt. Anhand der Antworten wird ein individuelles Therapie-Programm erstellt.

Üben, entspannen, lernen
„Neben dem Übungsprogramm können beruhigende Natur- und Hintergrundgeräusche in Endlosschleife zur Ablenkung abgerufen werden. Der Teil ‚Entspannung‘ beinhaltet geführte Meditationen sowie schriftliche Anleitungen für zweiminütige Entspannungsübungen. Im Bereich ‚Wissen‘ finden sich wichtige Informationen zu Tinnitus. Bei individuellen Fragen kann hier jederzeit ein Therapeut kontaktiert werden. Der wirksamste Teil ist die kognitive Verhaltenstherapie, die der Benützer als strukturiertes Übungsprogramm durchläuft. Er lernt, schädliche Einstellungen gegenüber dem Tinnitus zu erkennen und durch nützliche zu ersetzen.“

Eine Erstattung der Therapie-App (ca. € 90,–/Monat) durch die Sozialversicherung ist noch nicht gegeben. Unterstützung gibt es von der gemeinnützigen Organisation, der Österreichischen Gesellschaft vom Goldenen Kreuze. Sie übernimmt (nach Verfügbarkeit) die Kosten der App für die ersten 90 Tage.

Anmeldung via Telefon (01/9968092) oder per E-Mail: gesellschaft@oeggk.at
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