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Ausgabe Nr. 11/2023 vom 14.03.2023, Foto: zvg
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„Heilfasten im Kloster ermöglicht tiefe Einblicke in spirituelle Traditionen.“
Prälat Conrad, Stift Geras (NÖ)
Fasten – Der Weg hin zu einem gesünderen Lebensgefühl – Teil 4
In der Stille Kraft tanken. Fasten im Kloster oder im Stift ist mehr, als nur auf Nahrung zu verzichten. Wir stellen drei stille Orte vor, wo beim Heilfasten und Wandern Körper, Geist und Seele wieder in Einklang kommen sollen.
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Porta patet, sed magis cor“ (dt.: „Die Tür ist geöffnet, aber noch mehr unser Herz“) lautet das Leitmotiv im Chorherren-Stift Geras im niederösterreichischen Waldviertel. „Wir laden zu unseren Stundengebeten im Kloster ein“, freut sich Prälat Conrad, mit den im Gästehaus weilenden Fastenden ins Gespräch zu kommen.

Bei den Chorherren hat das Fasten, wie in Ordensgemeinschaften üblich, eine lange Tradition. Fasten ist jedoch längst kein Angebot mehr nur für Gläubige. Die früher ausschließlich religiösen Methoden des Verzichtes werden heute dafür genutzt, um den Körper, den Geist und die Seele in klösterlicher, spiritueller Umgebung in Einklang zu bringen.

„Die meisten sehnen sich einfach nur nach Ruhe“
„Das Bedürfnis der Menschen, sich von Hektik und Stress zurückzuziehen, wird größer. Zeit, die einem ganz alleine gehört, wird zum Luxusgut. Deshalb wird das Fasten in der Stille beliebter. Die meisten Gäste sehnen sich einfach nur nach Ruhe“, sagt Alexander Graffi, seit zwei Jahrzehnten Fastengruppen-Leiter.

Vor sieben Jahren hat er das Gästehaus des Stiftes Geras (NÖ) gepachtet, um dort Verzichtwillige auf ihrer „Reise zu sich selbst“ zu begleiten. „Beim Fasten verändern sich körperliche Prozesse, wir werden langsamer, was sich anfangs gar nicht gut anfühlt, uns allerdings immens dabei hilft zu entschleunigen. Wenn wir im Kopf langsamer werden, bleibt mehr Zeit für die eigenen Gedanken“, erklärt der 55jährige. Dafür bewusst ins Kloster zu kommen, drückt für ihn die Sehnsucht nach spirituellem Erleben aus. „Dazu kommt die wissenschaftliche Erkenntnis, dass der Organismus in der Phase, in der wir ganz wenig zu uns nehmen, gesundet. Beim Fasten werden kranke Zellen abgebaut und neue Zellen aufgebaut. Beim zehn Tage langen Fasten treten für gewöhnlich am zweiten oder dritten Tag verstärkt Zweifel wegen des Durchhaltens auf. Das aufkommende leichte Schwächeln lässt sich in der Gruppe besser auffangen als zu Hause.

Dort sind Süßigkeiten und Kühlschrank nah und die Versuchung groß. Ist die Anfangshürde überwunden, wird das Fasten von Tag zu Tag schöner empfunden. Einen vorzeitigen Abbruch habe ich in all den Jahren selten erlebt“, erzählt er.
Am Ende der Fasten-Auszeit stellt er bei seinen Gästen eine „große Gelassenheit“ fest. „Die nehmen sie samt einem angenehmen Körpergefühl mit nach Hause, in ihre Familie und auf den Arbeitsplatz. Viele haben nach der Auszeit im Heimreise-Gepäck eine neue Energie, die sie dazu bewegt, nicht wieder in ein unkontrolliertes Essverhalten zu verfallen, in ihrem Leben etwas zu ändern oder etwas komplett Neues anzufangen.“

Traditionell sind Kloster-Aufenthalte in der Fastenzeit beliebt. „Bei uns wird aber auch in den Sommermonaten und im Herbst gerne gefastet. Zum ersten Mal biete ich heuer eine Fasten-Auszeit rund um den Jahreswechsel an und bin überrascht, dass der Kurs bereits ausgebucht ist. Es gibt sie anscheinend doch, die ,Silvester-Flüchtlinge‘, die bewusst in der Stille Energie tanken möchten, um das neue Jahr zu beginnen. Geras ist offenbar ein Ruhepol. Stammgäste behaupten jedenfalls, dass sie immer ruhiger werden, je näher sie dem kleinen Ort und dem Stiftsgebäude kommen“, sagt der Fastengruppen-Leiter.
Im Stift St. Lambrecht den Schlendrian hinter sich lassen
Kraft tanken und dabei Ruhe finden ist ebenso im Benediktiner Stift St. Lambrecht in der Obersteiermark möglich. Eingebettet in Wiesen, Wälder und Berge liegt das Stiftsgebäude inmitten des Naturparks Zirbitzkogel-Grebenzen. Dort wird nach einer der einfachsten Methoden gefastet. Mit Säften, Suppen, Kräuter-Tees und Wasser wird der Körper gereinigt und entschlackt und die Seele von Belastungen befreit. Die Fastenkur folgt dem Grundsatz „Die Seele liebt in allen Dingen“, zurückzuführen auf die mittelalterliche Äbtissin Hildegard von Bingen.

„Verzicht, Nächstenliebe und das Gebet sind die klassischen Werke der Fastenzeit und damit geeignete Mittel, sich von den Zwängen des Alltages zu lösen“, sagt Pater Benedikt Plank. Wobei es alles andere als einfach sei, den Informationsfluss des Alltages zu beenden und Zeit zur Besinnung zu finden, betont der Abt des Stiftes St. Lambrecht in der Obersteiermark. „Sich in der Natur zu bewegen, ohne sportlichen Stress, tut gut, weil sich dabei vieles, was uns belastet, abschütteln lässt. Für uns Mönche sind das Fasten und die Stille etwas Gewohntes. Umso mehr staunen wir, wie erfüllend die Gäste unsere Angebote empfinden. Offenbar zählt in der heutigen Welt die Stille zu den größten Geschenken“, mutmaßt Abt Benedikt.

„Vieles, das in der Tiefe unseres Bewusstseins schlummert, kommt erst beim Fasten und Schweigen an die Oberfläche, was manchmal nicht angenehm ist. Deshalb begleiten die Mitbrüder und Fasten-Experten die Fastenden während der Auszeit im Kloster“, sagt der 73jährige.

Eingebettet sind die Fasten-Wochen neben Meditations- und Mal-Kursen in ein vielfältiges Seminarprogramm, die sogenannte „Schule des Daseins“. Der Begriff beruht auf der Ordenstradition, gemäß derer die Mönche des Mittelalters die Region rund um das Stift kultivierten.
„In die heutige Zeit übersetzt, steht das Kultivieren dafür, sich vom Dschungel der alltäglichen Verpflichtungen zu befreien“, erklärt der Abt.

„Den alten Schlendrian hinter sich zu lassen und dem Frust des Alltäglichen zu entfliehen, hat etwas Beglückendes“, meint er. Er staunt immer wieder, wenn die Gäste im Kreuzgang des Stiftsgebäudes stehen, in den Sternenhimmel blicken und nahezu fassungslos sind von der absoluten Ruhe, die ihnen völlig fremd ist.
„Mit der Stille leben zu können, ist ein Lernprozess, eine Herausforderung und eine Chance zugleich“, bestätigt der Abt.
Heilfasten über den Dächern der Mozartstadt
Ähnlich ruhig und abgeschieden, jedoch die Stadt in Reichweite, lädt das Johannes-Schlössl auf dem Mönchsberg in Salzburg zum Heilfasten ein. Über den Dächern der Mozartstadt liegt das eingefriedete Kloster der Pallottiner, eingebettet in Wald und Wiesen. „Rundum ist alles grün, fast wie auf einer Alm, wo es sich herrlich wandern lässt. Medizinisch ausgebildete Fastenkurse-Leiter begleiten die Gäste nach Hellbrunn, Maria Plain oder auf den Kapuzinerberg“, sagt Ulrich Walder, Direktor des Gästehauses der klösterlichen Herberge. „Wer bei uns fastet, tut dies nicht ausschließlich, um abzunehmen. Viel größer ist der Wunsch, ,herunterzukommen‘ und sich zu erden. Gefastet wird größtenteils alleine. Es ist eher selten, dass Pärchen teilnehmen. Zur Ruhe kommen die Menschen am liebsten ganz für sich allein. Die Patres im Haus bieten ein Mal pro Woche geistliche Impulse an.

Konfessionen spielen dabei keine Rolle, alle, ob Katholiken, Evangelische, jeder ist willkommen. Wobei wir immer mehr Menschen erreichen, für die der Glaube beim Fasten eher eine untergeordnete Rolle spielt“, sagt der gebürtige Tiroler, der das Klosterfasten als einen „Luxus-Urlaub für Körper, Geist und Seele“ bezeichnet.

„Während des Fastens reduzieren wir uns auf das Minimalistische. Dadurch bringen wir den Kreislauf wieder in Takt und sind folglich mit uns selbst zufriedener.
Anfängliche Zweifel, ob sich das Fasten durchhalten lässt, erweisen sich ziemlich bald als unberechtigt. Nach und nach stellt sich das Gefühl ein, sich wieder besser auf das Wesentliche konzentrieren zu können“, meint Walder. Er betont, dass sich die Angebote im Johannes-Schlössl an gesunde Menschen richten.

„Wenn gewisse Medikamente eingenommen werden, raten wir von der Buchinger-Methode ab. Das Basen- und Intervall-Fasten funktioniert auch gut im fortgeschrittenen Alter und eignet sich für jeden Fastenwilligen“, erklärt Walder. Im nächsten Jahr wird er einen zusätzlichen Fasten-Kurs mit Schwerpunkt „digitaler Verzicht“ anbieten. Bei vielen Menschen grenzt es schon an eine Sucht, ständig am Mobiltelefon erreichbar zu sein. Digitale Auszeiten tun Körper und Geist gut.“
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