Verhandlungen statt Panzer
Gut 600.000 Menschen haben das „Manifest für Frieden“ schon unterschrieben. Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer und die Politikerin Sahra Wagenknecht fordern darin Verhandlungen statt noch mehr Waffen.
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Sie sind viele, aber sie werden selten gehört. Jene, die auf Verhandlungen setzen und auf Friedensgespräche. Alice Schwarzer, 80, will das ändern: „Wir müssen sichtbar werden und eine Stimme bekommen.“ Gemeinsam mit der „Linken“-Politikerin Sahra Wagenknecht, 53, hat sie das „Manifest für Frieden“ verfasst. (www.change.org/p/manifest-für-frieden)
Gut 600.000 Menschen haben die Petition schon im Internet unterschrieben. „Die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität“, heißt es darin. „Aber was wäre jetzt solidarisch? Wie lange noch soll auf dem Schlachtfeld Ukraine gekämpft und gestorben werden?“
Die „Eskalation der Waffenlieferungen“ muss gestoppt werden, fordern Schwarzer und Wagenknecht in Richtung des deutschen Kanzlers Olaf Scholz. „Wir müssen jetzt der Ukraine helfen, das Sterben zu stoppen. Verhandlungen statt Panzer“, ruft Alice Schwarzer zum Handeln auf. Von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer gibt es zu diesem Friedens-Aufruf keinen Kommentar.
Die Friedens-Petition hat prominente Unterstützer, etwa die Publikumslieblinge Jutta Speidel, Katharina Thalbach und Henry Hübchen. Aber auch der Musiker Reinhard Mey hat das Manifest unterschrieben, ebenso wie der Künstler Gottfried Helnwein und Günter Verheugen, der frühere Vizepräsident der EU-Kommission, sowie die Theologin Margot Käßmann. Sie meinte schon im Sommer in der WOCHE: „Noch mehr Waffen werden keinen Frieden schaffen, sondern nur das Leid vergrößern.“ Am 25. Februar soll es eine große Kundgebung in Berlin geben. Mit dabei ist auch ein früherer Brigade-General und militärischer Berater von Angela Merkel. Für unser Land sind derzeit keine Veranstaltungen geplant.
Zehntausende tote Soldaten und Zivilisten
Vor einem Jahr ließ Wladimir Putin seine Truppen in die Ukraine einmarschieren. Seither sind Zehntausende Soldaten auf ukrainischer und russischer Seite gestorben.
Die Vereinten Nationen zählen bisher 7.200 tote Zivilisten durch Bomben und Raketen-Beschuss, darunter hunderte Kinder. Die Dunkelziffer liegt wohl weit höher.
Acht Millionen Ukrainer sind aus ihrem Land geflüchtet. 1,5 Millionen leben in Polen, eine Million in Deutschland. Tschechien hat fast 500.000 Ukrainer aufgenommen, bei uns sind es 93.000.
Die Energiepreise sind durch den Krieg und die Wirtschafts-Sanktionen in ungeahnte Höhen geschnellt. Die Teuerung ist so hoch wie zuletzt vor sieben Jahrzehnten. Dabei sind die Sanktionen gegen Russland nahezu wirkungslos. Für nächstes Jahr sagt der Internationale Währungsfonds sogar ein leichtes Wirtschaftswachstum für Russland voraus.
So ist ein Ende des Krieges in der Ukraine nicht in Sicht. Russland hat zuletzt eine Offensive gestartet. Der Westen will der Ukraine Munition und zusätzliche Kampfpanzer liefern. Der Wunsch des ukrainischen Präsidenten nach Kampfjets stößt noch auf taube Ohren.
„Wir sind beide der Meinung, dass endlich Schluss sein muss mit dem Sterben und der Zerstörung in der Ukraine“, sagt Alice Schwarzer. „Und dass das nur erreicht werden kann, wenn man verhandelt und nicht noch mehr Waffen liefert.“
Als „Propagandahilfe für Putin“ bezeichnen Kritiker das Friedens-Manifest. Auch der Russland-Experte Gerhard Mangott ist skeptisch. „Das Manifest wendet sich kaum an den Aggressor, der es in der Hand hätte, den Krieg sofort zu beenden“, erklärt der Innsbrucker Universitätsprofessor. „Auch wird der Wunsch nach einem Friedensschluss auf Kosten der Freiheit der Ukraine diskutiert.“
Verhandlungen werde es erst geben, meinte er kürzlich, wenn sich eine Seite militärisch durchgesetzt habe oder beide Armeen erschöpft sind. Beide Seiten rechnen mit einem Sieg. „Eine dritte Option wäre theoretisch noch die Intervention einer dritten Partei. Aber auch von diesem Szenario sind wir weit entfernt“, glaubt Mangott.
Zumal es nur noch wenige direkte Gesprächskanäle gibt. „Viele Vereinbarungen werden durch Vermittlung anderer Staaten getroffen, ohne dass die beiden Kriegsparteien direkt miteinander reden.“
Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger, 99, hat vorgeschlagen, die Front entlang der Vorkriegslinien einzufrieren und dann einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Die EU und die USA müssten die Ukraine allerdings militärisch unterstützen, bis der Zustand vor dem Krieg erreicht sei.
Doch es komme der Zeitpunkt, an dem mit Putin verhandelt werden müsse. „Wir müssen verhindern, dass der Krieg zu einem Krieg gegen Russland selbst wird“, sagt Kissinger. Im Gegenzug sollte der Westen der Ukraine, laut ihm, aber die NATO-Mitgliedschaft garantieren.
Noch scheitern etwaige Waffenstillstands-Verhandlungen aber wohl auch an den unterschiedlichen Positionen der Regierungen in Europa. „Im Hinblick auf die Kriegsziele ist der Westen gespalten“, stellt Gerhard Mangott fest. Die Osteuropäer, die nordischen Länder und Großbritannien „sind für das maximale Kriegsziel der ukrainischen Führung: Vertreibung aller russischen Soldaten, inklusive von der Krim.“
Deutschland und andere westeuropäische Staaten seien „zurückhaltender, weil sie eine nukleare Eskalation fürchten, sollte die Krim zurückerobert werden.“ Sie wollen die russische Armee auf die Frontlinie von vor Kriegsbeginn zurückdrängen. Eine nukleare Eskalation hält der Russland-Experte für „möglich, aber nicht wahrscheinlich.“
Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht warnen dennoch vor einem „maximalen Gegenschlag“ spätestens bei einem Angriff auf die Krim. „Geraten wir dann unaufhaltsam auf eine Rutschbahn Richtung Weltkrieg und Atomkrieg? Es wäre nicht der erste große Krieg, der so begonnen hat. Aber es wäre vielleicht der letzte.“ Sie sind überzeugt: „Verhandeln heißt nicht kapitulieren. Verhandeln heißt, Kompromisse machen, auf beiden Seiten.“
Gut 600.000 Menschen haben die Petition schon im Internet unterschrieben. „Die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität“, heißt es darin. „Aber was wäre jetzt solidarisch? Wie lange noch soll auf dem Schlachtfeld Ukraine gekämpft und gestorben werden?“
Die „Eskalation der Waffenlieferungen“ muss gestoppt werden, fordern Schwarzer und Wagenknecht in Richtung des deutschen Kanzlers Olaf Scholz. „Wir müssen jetzt der Ukraine helfen, das Sterben zu stoppen. Verhandlungen statt Panzer“, ruft Alice Schwarzer zum Handeln auf. Von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer gibt es zu diesem Friedens-Aufruf keinen Kommentar.
Die Friedens-Petition hat prominente Unterstützer, etwa die Publikumslieblinge Jutta Speidel, Katharina Thalbach und Henry Hübchen. Aber auch der Musiker Reinhard Mey hat das Manifest unterschrieben, ebenso wie der Künstler Gottfried Helnwein und Günter Verheugen, der frühere Vizepräsident der EU-Kommission, sowie die Theologin Margot Käßmann. Sie meinte schon im Sommer in der WOCHE: „Noch mehr Waffen werden keinen Frieden schaffen, sondern nur das Leid vergrößern.“ Am 25. Februar soll es eine große Kundgebung in Berlin geben. Mit dabei ist auch ein früherer Brigade-General und militärischer Berater von Angela Merkel. Für unser Land sind derzeit keine Veranstaltungen geplant.
Zehntausende tote Soldaten und Zivilisten
Vor einem Jahr ließ Wladimir Putin seine Truppen in die Ukraine einmarschieren. Seither sind Zehntausende Soldaten auf ukrainischer und russischer Seite gestorben.
Die Vereinten Nationen zählen bisher 7.200 tote Zivilisten durch Bomben und Raketen-Beschuss, darunter hunderte Kinder. Die Dunkelziffer liegt wohl weit höher.
Acht Millionen Ukrainer sind aus ihrem Land geflüchtet. 1,5 Millionen leben in Polen, eine Million in Deutschland. Tschechien hat fast 500.000 Ukrainer aufgenommen, bei uns sind es 93.000.
Die Energiepreise sind durch den Krieg und die Wirtschafts-Sanktionen in ungeahnte Höhen geschnellt. Die Teuerung ist so hoch wie zuletzt vor sieben Jahrzehnten. Dabei sind die Sanktionen gegen Russland nahezu wirkungslos. Für nächstes Jahr sagt der Internationale Währungsfonds sogar ein leichtes Wirtschaftswachstum für Russland voraus.
So ist ein Ende des Krieges in der Ukraine nicht in Sicht. Russland hat zuletzt eine Offensive gestartet. Der Westen will der Ukraine Munition und zusätzliche Kampfpanzer liefern. Der Wunsch des ukrainischen Präsidenten nach Kampfjets stößt noch auf taube Ohren.
„Wir sind beide der Meinung, dass endlich Schluss sein muss mit dem Sterben und der Zerstörung in der Ukraine“, sagt Alice Schwarzer. „Und dass das nur erreicht werden kann, wenn man verhandelt und nicht noch mehr Waffen liefert.“
Als „Propagandahilfe für Putin“ bezeichnen Kritiker das Friedens-Manifest. Auch der Russland-Experte Gerhard Mangott ist skeptisch. „Das Manifest wendet sich kaum an den Aggressor, der es in der Hand hätte, den Krieg sofort zu beenden“, erklärt der Innsbrucker Universitätsprofessor. „Auch wird der Wunsch nach einem Friedensschluss auf Kosten der Freiheit der Ukraine diskutiert.“
Verhandlungen werde es erst geben, meinte er kürzlich, wenn sich eine Seite militärisch durchgesetzt habe oder beide Armeen erschöpft sind. Beide Seiten rechnen mit einem Sieg. „Eine dritte Option wäre theoretisch noch die Intervention einer dritten Partei. Aber auch von diesem Szenario sind wir weit entfernt“, glaubt Mangott.
Zumal es nur noch wenige direkte Gesprächskanäle gibt. „Viele Vereinbarungen werden durch Vermittlung anderer Staaten getroffen, ohne dass die beiden Kriegsparteien direkt miteinander reden.“
Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger, 99, hat vorgeschlagen, die Front entlang der Vorkriegslinien einzufrieren und dann einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Die EU und die USA müssten die Ukraine allerdings militärisch unterstützen, bis der Zustand vor dem Krieg erreicht sei.
Doch es komme der Zeitpunkt, an dem mit Putin verhandelt werden müsse. „Wir müssen verhindern, dass der Krieg zu einem Krieg gegen Russland selbst wird“, sagt Kissinger. Im Gegenzug sollte der Westen der Ukraine, laut ihm, aber die NATO-Mitgliedschaft garantieren.
Noch scheitern etwaige Waffenstillstands-Verhandlungen aber wohl auch an den unterschiedlichen Positionen der Regierungen in Europa. „Im Hinblick auf die Kriegsziele ist der Westen gespalten“, stellt Gerhard Mangott fest. Die Osteuropäer, die nordischen Länder und Großbritannien „sind für das maximale Kriegsziel der ukrainischen Führung: Vertreibung aller russischen Soldaten, inklusive von der Krim.“
Deutschland und andere westeuropäische Staaten seien „zurückhaltender, weil sie eine nukleare Eskalation fürchten, sollte die Krim zurückerobert werden.“ Sie wollen die russische Armee auf die Frontlinie von vor Kriegsbeginn zurückdrängen. Eine nukleare Eskalation hält der Russland-Experte für „möglich, aber nicht wahrscheinlich.“
Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht warnen dennoch vor einem „maximalen Gegenschlag“ spätestens bei einem Angriff auf die Krim. „Geraten wir dann unaufhaltsam auf eine Rutschbahn Richtung Weltkrieg und Atomkrieg? Es wäre nicht der erste große Krieg, der so begonnen hat. Aber es wäre vielleicht der letzte.“ Sie sind überzeugt: „Verhandeln heißt nicht kapitulieren. Verhandeln heißt, Kompromisse machen, auf beiden Seiten.“
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